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Abendzeitung, 29.6.2016 |
Robert Braunmüller |
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Puccini: Tosca, Bayerische Staatsoper, 25. Juni 2016
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Puccinis "Tosca" mit Kaufmann, Harteros, Terfel und Petrenko |
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Die Vorstellung des Jahres: Puccinis „Tosca“ mit Anja Harteros, Jonas Kaufmann, Bryn Terfel und Kirill Petrenko bei den Opernfestspielen im Nationaltheater |
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Das große „Tosca“-Erlebnis stellt sich nur sehr selten ein. Bei der Premiere
von Luc Bondys Inszenierung vor sechs Jahren sorgte nur Jonas Kaufmann mit
seinen emphatischen „Vittoria!“-Rufen für das Kribbeln am Rücken. Jetzt hat
die Bayerische Staatsoper eine wahrhaft festspielwürdige Besetzung
zusammengebracht: Kaufmann singt wiederum den Cavaradossi, Anja Harteros
übernimmt die Titelpartie, Bryn Terfel ist Scarpia. Und Kirill Petrenko
dirigiert. Bessere Sänger und Darsteller gibt es für diese Oper
gegenwärtig nicht. Und schon gar kein Trio, das wie ein seit Jahren
aufeinander eingespieltes Ensemble wirkt.
Das öde Bühnenbild (Richard
Peduzzi), das scheußliche Gemälde, das Benzinfass des Malers und der ranzige
Antiklerikalismus beim „Te Deum“ von Luc Bondys Inszenierung stören
plötzlich nicht mehr. Dafür wirkte die Personenführung unglaublich frisch
und intensiv (Szenische Einstudierung: Johannes von Matuschka).
Alle
Sänger haben eine eigenständige und zugleich schlüssige Sicht auf ihre
Figur. Anja Harteros versteht die Tosca nicht als Diva, sondern (wie es die
Autoren wollten) als junges, naives Mädchen vom Land. Die Desillusionierung
der Figur gestaltet sie grandios: im bewegend gesungenen „Vissi d’arte“ und
dem Schluss des zweiten Akts, bei dem sie sich in Bondys Inszenierung nach
dem Mord an Scarpia beinahe aus dem Fenster stürzt. Keine ihrer
Vorgängerinnen hat das so überzeugend gespielt.
Kaufmann gibt den
Cavaradossi als anfangs ziemlich leichtfertigen Draufgänger, dessen
politisches Bewusstsein erst unter der Folter erwacht. Die „Vittoria“-Rufe
haben Kraft. Aber der Münchner entwertet sie nicht zu einem bloßen Akt
tenoraler Athletik. Im dritten Akt nahm er „E lucevan le stelle“ recht
langsam – die Arie verlor daher den Charakter eines existenziellen Schreis
nach dem Leben im Moment der Gewissheit, sterben zu müssen. Aber das sind
Details: Der Maler ist bei Kaufmann ein runder Charakter und kein
Musikautomat für Arien.
Bryn Terfel spielt den Scarpia als brutalen
Faun. Wenn dieser Zwei-Meter-Mann den Spoletta (Kevin Conners) wegschubst,
schaut das wirklich gefährlich aus. Als Darsteller ist Terfel absolut
einmalig. Zu genau hinhören sollte man allerdings nicht: Er singt ziemlich
einfarbig. Die einst so bassig-dunkle Stimme tönt ein wenig grau. Aber mit
seiner Bühnenpräsenz macht Terfel dies alles wieder wett. Er ist seit
Menschengedenken der erste echte Scarpia auf der Bühne des Nationaltheaters.
Die Staatsoper komplettiert das alles mit dem besten „Tosca“-Dirigenten der
Gegenwart: Kirill Petrenko. Der sorgt für atemlose Spannung. Die Wendigkeit
zwischen brutal und zart, die er dem Staatsorchester entlockt, ist einfach
phänomenal. Jede Stelle der Partitur wirkt sorgfältig erwogen und doch
natürlich. Es gibt nur einen winzigen Schwachpunkt: die vier Solo-Celli im
dritten Akt. Die dröhnen schmachtend und viel zu laut, wie eh und je.
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