Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg, Bayerische Staatsoper, 4. Juni 2016
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Garantiert pathosfrei |
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Nein, diese neue Münchner Produktion der 'Meistersinger von Nürnberg' in der
Regie von David Bösch und mit Kirill Petrenko am Pult ist wahrlich keine
lustige Komödie. Eher im Gegenteil. Ein ziemlich aggressiv aufgeladenes,
streckenweise trübseliges Stück mit einigen witzigen Szenen, deren Humor
aber oft mit Melancholie durchwebt ist. Bösch lässt das Stück in einer
düsteren, engen, grauen Vorstadtsiedlung spielen, in der es nie Tag zu
werden scheint (Bühne: Patrick Bannwart). Hoch aufragende Gerüste und
hässliche Betonfassaden prägen das Bild. Die Handlung in dieser
heruntergekommenen, verarmten Kleinstadt spielt irgendwann um die
Jahrtausendwende – die Kostüme (von Meentje Nielsen) und der alte
Citroen-Minibus, der als Schusterwerkstatt von Hans Sachs dient, deuten auf
die 60er, die Parabolantennen auf die 80er Jahre, aber es gibt auch eine
Videoeinblendung einer Zeitung aus dem Jahr 2006. Ort und Zeit, so merkt man
schnell, sind bedeutungslos – die Handlung könnte überall und immer spielen.
In dieser bedrückend engen Welt passiert auf einmal etwas: Der
Großunternehmer Pogner (Christof Fischesser verleiht ihm dank seines tiefen,
voluminösen, sonoren Basses das nötige Schwergewicht) mit Bonzenwagen und
weißem Anzug verspricht seine Tochter Eva demjenigen zur Frau, der als
Sieger aus dem traditionellen Sängerwettbewerb hervorgeht. Holla, so denkt
man sich, wie krank ist denn das? Ein Glück nur, dass gerade noch
rechtzeitig die Erlöserfigur Jonas Kaufmann, pardon: Walther von Stolzing,
kommt: mit Jeans und Lederjacke, selbstgedrehten Zigaretten und seiner
coolen Gitarre - leider auch mit einer den ganzen Abend über leicht belegten
Stimme; so richtig frei klang das bei ihm nie, eher durchweg angestrengt.
Klar, dass Eva (Sara Jakubiak mit klarer, voller, nur im letzten Akt etwas
flatternder Stimme) auf ihn abfährt – und er auf sie. So muss sie nicht
Beckmesser heiraten, voll, ganz natürlich und mit bester
Textverständlichkeit von Markus Eiche gesungen, der, anders als in vielen
anderen Inszenierungen dieser Oper, als ernsthafter, irgendwie rührender,
wenn auch leicht sadistisch veranlagter Bürger gezeichnet wird. Dass er sich
vor allen lächerlich gemacht und sein Gesicht am Ende verloren hat, treibt
ihn dann auch in der Schlussminute der Oper in den Freitod.
Bösch
entzieht sich politischen Deutungen. Ihn interessiert nicht die
Rezeptionsgeschichte, er interpretiert überhaupt wenig, sondern zeichnet
sehr fein und sorgfältig die einzelnen Charaktere der Oper nach. Die
Natürlichkeit, mit der sich die Personen, auch der Chor, bewegen, ist
einfach klasse. Nicht alles ist gleich plausibel. Besondere Schwierigkeiten
hatte ich mit Böschs Deutung von Hans Sachs. So sympathisch Wolfgang Kochs
strikt pathosfreie, klare Interpretation ist: Sachs erinnert mit seiner
hässlichen Weste und den strähnigen Haaren äußerlich an Guildo Horn - warum
Eva überhaupt je auf die Idee kommen könnte, sich auf ihn einzulassen,
bleibt unverständlich. Auch seine unerträgliche Deutschtümelei am Ende der
Oper, während der sich sein Geselle David (brillant und klar von Benjamin
Bruns gesungen) in die Meisterschale erbricht und Walter und Eva schauen,
dass sie das Weite suchen und der Kleinstadt den Rücken kehren, ist nicht in
der Charakterzeichnung seiner Person angelegt.
Dass die Aufführung
trotz der doch langen und, ja, manchmal auch langweiligen Passagen im
Spannungsbogen nicht immer wieder absackt, verdankt man neben dem bis in die
kleinste Rolle bestens besetzten Ensemble (mit Eike Wilm Schulte als Fritz
Kothner und Tareq Nazmi als Nachtwächter) vor allem dem Orchester. So gut
erlebt man es in München auch nicht alle Tage. Petrenko geht die Partitur
recht zügig, aber nie schnell oder gehetzt an. Immer wieder dämpft er das
Orchester, damit die Sänger mühelos den Raum füllen können - ohne dass die
dynamisch zurückgenommene Begleitung spannungslos wäre. Was man schon bei
seiner grandiosen Deutung von Zimmermanns 'Soldaten' bewundern konnte,
wiederholt sich bei Wagner: Einzelne Töne, Tonfolgen und Akkorde werden
geradezu umschmeichelt, herausgehoben und können glänzen, ohne dass der
Zusammenhang verloren ginge. Manches erinnert bei ihm ob des stets
transparenten, sauberen Klangbilds an das musikalische Ideal der
Barockmusik. Die fließende Flexibilität der Tempi, die genaue Abstimmung von
Bühne und Orchestergraben, die Tiefe im Vorspiel zum dritten Akt – all das
verdient Bewunderung und wurde am Ende des Abends von einem jubelnden
Publikum dann auch bereitwillig honoriert.
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