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Frankfurter Neue Presse, 18.05.2016 |
Von GEORG ETSCHEIT (DPA) |
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Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg, Bayerische Staatsoper, 16. Mai 2016
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Die heil’ge deutsche Kunst ist nur noch was für Spießer |
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Mit seinem ersten „Meistersinger“-Dirigat stellt Dirigent Kirill Petrenko an der Bayerischen Staatsoper sogar Jonas Kaufmann noch in den Schatten. |
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Den Münchner Opernfans wird nachgesagt, sie hätten es nur auf schöne Stimmen
abgesehen. Doch seit Kirill Petrenko am Pult des Staatsorchesters steht,
fällt das Publikum stets in ein Delirium, wenn sich der Maestro immer etwas
schüchtern auf die Bühne wagt, um den Schlussapplaus zu empfangen.
Nun dirigierte Petrenko im Nationaltheater zum ersten Mal Richard Wagners
„Meistersinger“ – und das ehrwürdige Haus, in dem die fünfstündige Oper 1868
in Anwesenheit Wagners und König Ludwig II. uraufgeführt wurde, erbebte.
Nach dieser auch sängerisch denkwürdigen Aufführung wird der Abschied von
Petrenko den Münchnern noch schwerer fallen. Von Herbst 2019 an wechselt der
Russe als Chef der Berliner Philharmoniker in die Hauptstadt.
Bei
seinen ersten „Meistersingern“ vertraute Petrenko ganz auf seine Erfahrungen
mit Wagners „Ring“, mit dem er in den vergangenen Jahren das Publikum in
Bayreuth bezirzt hatte. Schon das von den Nationalsozialisten gerne für
Propagandazwecke missbrauchte symphonische Vorspiel nahm Petrenko ganz ohne
Pathos mit sehr raschen Tempi, so wie die ganze Oper. Glasklar meißelte er
die verschachtelten Strukturen dieses Meisterwerks heraus, ließ den Sängern
allen Raum zum Atmen und hatte auch den bestens präparierten Chor fest im
Griff.
Petrenko und sein Orchester stahlen sogar Startenor Jonas
Kaufmann die Schau, der als Stolzing szenisch debütierte und in Turnschuhen,
Jeans und Lederjacke samt Gitarre einen sehr unkonventionellen Ritter gab.
An seiner Seite der Bayreuth-gestählte Wolfgang Koch als großartiger Sachs.
Als Beckmesser überzeugte Markus Eiche aus dem Ensemble der Staatsoper. In
der eher kleinen Rolle der Eva gefiel die in Frankfurt engagierte
US-Sopranistin Sara Jakubiak. Regisseur David Bösch wurde am Ende zwar
kräftig ausgebuht, er inszenierte indes so unpathetisch wie Petrenko
dirigierte. Bösch und sein Bühnenbilder Patrick Bannwart verlegten die
Handlung vom Mittelalter in ein etwas trashiges Nachkriegs-Nürnberg. Aus der
ehrwürdigen Gilde der Meistersinger machte er eine spießige Liedertafel.
Stolzing kommt als junger Beatnik daher, Sachs als eine Art Schnellservice
mit mobiler Schuhreparaturwerkstatt. Die berühmt-berüchtigte Festwiese am
Schluss, wo der finale Sangeswettkampf stattfindet, ist eine Mischung aus
Oktoberfest und Eurovision Songcontest mit einer Puschel schwingenden
männlichen Cheerleader-Gruppe im Vorprogramm.
Für Sachs’ politisch
heikle Hymne ans Deutschtum und die deutsche Kunst findet Bösch eine
überzeugende Lösung. Andere Regisseure wie etwa Peter Konwitschny hatten an
dieser Stelle die Musik anhalten und die Protagonisten auf offener Bühne
diskutieren lassen. Stattdessen gab es auf der Leinwand, die zuerst Werbung
(„Meisterbräu – bei uns bleibt alles beim Alten“) und dann den zu
erringenden Pokal zeigte, genau in dem Moment eine Bildstörung, als Sachs
die „heil’ge deutsche Kunst“ besingt. Aus dem Geflimmer schälen sich
brüllende Nazis heraus.
Da hatte Stolzing schon die Hand seiner Eva
ergriffen und war abgedampft. Sachs gönnt sich eine Zigarette, Beckmesser,
der in der turbulenten Prügelszene im zweiten Aufzug von einer (rechten?)
Schlägertruppe mit Affenmasken misshandelt worden war, erschießt sich im
Schlussakkord. Manchmal hätte man sich ein wenig mehr Ernsthaftigkeit
gewünscht, aber langweilig waren diese „Meistersinger“ nicht.
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