Frankfurter Rundschau, 15. Oktober 2015
Von Judith von Sternburg
 
Puccini-Konzerte: Frankfurt, Alte Oper, 14.10.2015
 
Gutgekleidete Profis bei der Arbeit
 
Tenor Jonas Kaufmann singt Giacomo Puccini, hier ist beieinander, was zusammengehört. In der rappelvollen Alten Oper Frankfurt startet die dazugehörige Tournee „Nessun dorma“.
Vorher denkt man, das sei ein Klischee. Vor Ort plaudern die Menschen dann aber tatsächlich über Jonas Kaufmanns neue Freundin und vergleichen ihn en detail mit dem jungen Richard Chamberlain (der Gesichtsschnitt, die Augen, der Blick) und Elyas M’Barek (die Lebensfreude, die Augen, der Blick). Auch gibt es sie wirklich, die Groupies, die ihm nachreisen und unter erheblichem Aufwand eine Übernachtung in Buchmessenfrankfurt organisiert und finanziert haben.

Es ist beeindruckend, wie es dem 46-Jährigen gelingt, sich ohne Wenn und Aber im seriösen Opernsegment zu halten, während sein Puccini-Abend Züge eines Popkonzerts trägt, in dem man geduldig auf den großen Hit wartet, sechs Gesangs- und sieben Instrumentalnummern lang. Der große Hit ist „Nessun dorma“ und innerhalb von „Nessun dorma“ das hohe H. Kaufmann, dieser Baritonale unter den großen Tenören, singt es wunderbar und souverän und ohne opulent dafür ansetzen zu müssen. Er dehnt es auch nicht über Gebühr auf, wie es gerne gemacht wird, obwohl sich Giacomo Puccini das keineswegs so vorstellte. Musikalisch ist das ja völlig sinnlos.

Kein Moment aber dokumentiert besser den völlig außermusikalischen Zusammenhang zwischen Tenorstimme und Hochleistungssport (wobei die Meinungen darüber auseinandergehen, ob ein H für einen Tenor schon Hochleistungssport sein sollte). Es ist allerdings praktisch unmöglich, sich diesem ärgerlichen Zusammenhang zu entziehen. Der Musiker könnte das, indem er „Nessun dorma“ am Anfang des Programms abhandeln würde. Aber da sind die Gesetze des Popkonzerts vor.

Einer schöner als der andere

In der seit Wochen heillos ausverkauften Alten Oper, die hierbei mit dem Konzertveranstalter Pro Arte kooperierte, stellte Kaufmann sein neues Puccini-Arien-Programm vor, „Nessun dorma“ heißt die CD (Sony Classical) und auch die kleine Tournee, die nun in Frankfurt ihren Anfang nahm. Im Programmheft: abwechselnd Puccini und Kaufmann. Blendend aussehende, gutgekleidete Männer blicken uns an.

Die Auswahl zielt erfolgreich darauf, Kaufmann als den Alleskönner zu zeigen, der er ist. Weit entfernt ist er ja vom schieren Kraftbolzen, auch muss er nichts kaschieren, auch ist er ein technisch nicht naiver Sänger, beim großen Ausbruch hat er alles unter Kontrolle. Den ersten Tophit, „E lucevan le stelle“, serviert er mit einer enormen Steigerung vom lyrisch Leisesten bis zum gewaltigen Drama, aber pathetisch wird er nicht (jedenfalls nicht pathetischer, als es der Situation eines Mannes angemessen ist, der weiß, dass er sterben wird. Schon inhaltlich ist ein Arienprogramm im Prinzip ein Skandal).

Es geht quer durch Puccinis Schaffen, chronologisch (hiermit würde der Dramaturg die Position von Kalafs Arie rechtfertigen), unter Auslassung von „La Boheme“, dafür mit alerten Ausschnitten aus „Le Villi“ und „Edgar“. Kaufmanns Puccini ist italienisch leidenschaftlich genug, aber unverheult. Sein Auftreten ist von gutgelaunter, sprungbereiter Wachsamkeit, er lässt uns dabei zuschauen, wie er sich aus dem Stand heraus in die erforderliche Wallung versetzt.

Bei den Konzerten übernimmt die Staatskapelle Weimar unter Jochen Rieder die nicht dankbare, hier aber mit Feinsinn und Stil gefüllte Rolle des Begleiters und Pausenfüllers. Kaufmann trägt einen schicken knappen Anzug, der sich auch in der Westernrolle des Dick Johnson in der „Fanciulla“ gut macht. Zwei Damen reichen ihm Blumen und auch ein kleines Präsent an. Vier Zugaben erklatscht sich das Publikum.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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