Der Standard, 2. Mai 2014
Daniel Ender
 
Liederabend, Musikverein Wien, 1. Mai 2014
 
Beutel, Glück und Pannen
 
Liederabend: Tenor Jonas Kaufmann mit Pianist Helmut Deutsch im Musikverein
 
Es ist einzelnen Künstlern nicht unbedingt zum Vorwurf zu machen, wie sie sich den Marktmechanismen glücklicher Gewinnmaximierung ausliefern. Aber man kann meist sehr klar feststellen, inwieweit sie das tun - oder lassen. Dass jemand wie Jonas Kaufmann nach dem Konzert noch seine CDs signiert, gehört längst zur Routine.

Wenn er - wie am Staatsfeiertag im Musikverein - als Zugabe unter anderem auch Es muss was Wunderbares sein, von dir geliebt zu werden (aus dem Weißen Rössl) zum Besten gab, suchte er in seiner Mimik ironische Distanz, als ob ihm die Nummer ein wenig peinlich wäre. Seinen Zweck des Geldbeutel-Füllens erfüllte das Schwelgen im Schlagerton aber wohl allemal.

Davor hatte sich der Sänger gemeinsam mit dem Pianisten Helmut Deutsch, seinerseits die Zuverlässigkeit in Person, ein durchwegs seriöses Programm zurechtgelegt: Franz Schuberts sperrige Bürgschaft sang er zurückhaltend, wortdeutlich, baritonal klangschön und konzentriert. Und nach der Pause schien es, als ob der Anspruch auf das Anspruchsvolle dezidiert formuliert werden sollte.

Denn auf Franz Liszts Petrarca-Sonette folgten Benjamin Brittens Michelangelo-Sonette, wobei Letztere zu zuweilen grenzwertiger Hustenfrequenz im Goldenen Saal führten.

Hier war Kaufmann ein eindrucksvoller Gestalter, der es farbenreich fließen ließ, zu opernhafter Dramatik fand und die Möglichkeiten seiner Stimme gekonnt kultivierte. Denn im Grunde genommen ist er eher der Berufsbezeichnung nach ein Tenor mit einer wirklich schönen Mittellage, muss in der Höhe allerdings entweder zum Hauchen oder zum Pressen Zuflucht nehmen - beides tut er allerdings gekonnt.

Ebenso souverän begegnete er noch in der ersten Hälfte bei Richard Wagners Wesendonck-Liedern der denkbar größten Herausforderung während eines Live-Konzerts: Beim zweiten Lied Stehe still! versagte ihm ausgerechnet dort, wo vom Schweigen und Vergessen die Rede ist, die Erinnerung an den Text. Launig entschuldigte er sich, nachdem er abgebrochen hatte und neu ansetzte. "Jetzt kennen Sie den Anfang schon gut", meinte er vor dem dritten Anlauf.

Doch erst als ein Besucher ihm eine Taschenpartitur geborgt hatte, sang er das Lied beim vierten Mal durch - mit einer Gelassenheit, die ihn wohl für jeden im Saal Anwesenden sympathisch wirken ließ.










 
 
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