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Bayerische Staatszeitung, 21.11.2014 |
Marco Frei |
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Puccini: Manon Lescaut, Bayerische Staatsoper, München, 15.11.2014 |
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Volltreffer auch ohne Netrebko
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Giacomo Puccinis „Manon Lescaut“ an der Bayerischen Staatsoper |
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Auch eine Absage kann ein Glücksfall sein. Dass Star-Sopranistin Anna
Netrebko zwei Wochen vor der Premiere von Giacomo Puccinis Oper Manon
Lescaut am Münchner Nationaltheater das Handtuch geworfen hat, ist durchaus
ein solcher Glücksfall. Für sie hat Kristine Opolais kurzfristig die
Titelpartie übernommen, und eine bessere Besetzung lässt sich für diese
Produktion nicht denken. Das zeigte die umjubelte Premiere. Sowohl
stimmlich als auch darstellerisch passt Opolais bestens mit dem Tenor Jonas
Kaufmann zusammen. Er gestaltet die Rolle von Manons Geliebten Renato Des
Grieux. Schon im Sommer waren beide in London mit dieser Oper von Puccini zu
erleben. Kaufmann und Opolais geben auf der Bühne alles. Darüber hinaus
hinterfragen sie das Klischee eines Puccini-Gesangs, der „Italianità“ mit
Stimmgewalt verwechselt. Gemeinsam kreieren sie eine Art vokale
Kammermusik, die wiederum zur farbenreichen Differenzierung des Bayerischen
Staatsorchesters unter der Leitung von Alain Altinoglu passt. Zudem
profitiert davon die Inszenierung von Hans Neuenfels, der in seinem
Puccini-Debüt mit konsequenter Reduktion arbeitet. Neuenfels erzählt die
Manon-Oper sehr musikalisch sowie dramaturgisch und textlich höchst präzise.
Eine ausgeprägte Werktreue wird geboten, die ohne verstaubten Historismus
auskommt. Selbst die teilweise ironisch gebrochenen Texteinblendungen lassen
sich mit Puccinis Intentionen begründen, denn: Die Partitur ist ihrerseits
mit programmatischen Erläuterungen aus der Erzählvorlage von
Antoine-François Prévost angereichert. Als Fremdkörper kann nur der Chor
erscheinen, der in grauen Kostümen mit breiten Hüften und roten Köpfen über
die Bühne wuselt.
Altersmilder Neuenfels
Hier zitiert
Neuenfels die Laborratten aus seinem Bayreuther Lohengrin. Auch in Manon
entlarvt Neuenfels damit die uniforme Masse Mensch. Aus dieser subjektlosen
Menge treten Manon und Renato als wahrhaftig Liebende umso deutlicher
heraus. Dabei profitiert Neuenfels von einem Ensemble, das bis in die
kleinste Rolle glänzend besetzt ist – allen voran Markus Eiche als Manons
Bruder Lescaut. So kann die Staatsopern-Intendanz aufatmen, weil die
kurzfristige Absage Netrebkos leicht ein Fiasko hätte werden können. Endlich
sollte Netrebko nun auch in München in einer Neuproduktion zu erleben sein,
noch dazu an der Seite von Star-Tenor Kaufmann. Auf diesen Starreigen war
die ganze Produktion geeicht, umso größer war der Unmut über die Absage.
Einige Premierengäste wollten die bereits gekauften Karten zurückgeben. Die
Karten wurden jedoch weder erstattet noch umgetauscht. Ein guter Stil ist
das nicht, zumal die Paarkombi Netrebko und Kaufmann PR-wirksam im Fokus
stand. Warum Netrebko abgesagt hat, darüber schweigt sie sich bislang aus.
In einem Interview verriet Kaufmann, dass zwischen Netrebko und Neuenfels
„die Chemie nicht gestimmt“ habe. Das ist glaubwürdiger als die
offizielle Sicht, wonach Netrebko ein Problem mit der Regie gehabt habe.
Auch Neuenfels hat das in Interviews verbreitet, aber: In der Vergangenheit
hatte Netrebko in weitaus gewagteren Inszenierungen mitgewirkt als in der
jetzigen Manon. Auch im Vergleich zu seinem Bayreuther Lohengrin gibt sich
die Münchner Manon von Neuenfels altersmilde.
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