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Der Neue Merker |
Dorothea Zweipfennig |
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Puccini: Manon Lescaut, Bayerische Staatsoper, München, 15. November 2014 |
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“MANON LESCAUT” – Premiere 15.11.2014
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Die Münchner EA fand 1930 statt, es folgte die großartige Neuinszenierung
von Gian-Carlo del Monaco 10/81 mit Anna Tomowa-Sintow und Placido Domingo,
Dir. Riccardo Chailly (in der Folge mit allerhand interessanten
Besetzungsvarianten, u. a. Freni und Kabaivanska) . Diese gänzlich
überzeugende Produktion (wie del Monacos Regiearbeiten ja nahezu alle) wurde
bedauerlicherweise 1/2002 von Andreas Homokis total verunglückter,
langweiliger Version abgelöst, Homoki erzählte „eine ganz andere
Geschichte“; Leidtragende waren die Hauptrollenträger, bei der Premiere
Kallen Esperian und Sergej Larin († 2008), Dirigent war Fabio Luisi.
12 Jahre später haben wir nun also wieder eine neue Manon Lescaut. In
die Vorfreude über die Ankündigung des „Traumpaares“ Anna Netrebko und Jonas
Kaufmann mischte sich beim Einen oder Anderen doch einige Skepsis, was
„Altmeister“ Hans Neuenfels nun mit dem Werk anstellen würde (nach den
vorangegangenen schlechten Erfahrungen mit Homoki). – Und dann kam der
„Skandal“, der gar keiner war: Anna Netrebko sagte 2 Wochen vor der Premiere
ab. Auweia, was wurde da spekuliert. Divengehabe warf man ihr vor, ob ihr
die Inszenierung zu abwegig erschienen sei, mutmaßte man; Neuenfels munkelte
etwas von anderen moralischen Sichtweisen der Russen. Demnach erwartete man
irgendwelche sehr heißen Szenen. Divenhaftes Gebaren liegt der natürlichen,
fröhlichen Frau Netrebko ganz und gar nicht, in zahlreichen wirklich
verqueren Produktionen (siehe Berliner Trovatore) hat sie klaglos
mitgewirkt, blieb also nur noch die Moral. Aber spätestens nach dem 2. Akt
war klar, dass ihr Neuenfels‘ rabenschwarze Geschichte (in doppeltem Sinne)
vermutlich schlichtweg zu langweilig war. Sie hätte hier gar keine Chance
gehabt, das ihr eigene Temperament und ihre Reize auszuspielen. - Ganz
geschickt konnte die STO-Intendanz die Angelegenheit regeln. Für die
Premierenserie konnte Kristine Opolais kurzfristig gewonnen werden (die Met
fand eine Ersatz-Mimi für sie – findet sich für diese Partie ja leicht).
Frau Opolais hatte mit der Manon im Juni d. J. ja höchst erfolgreich in
London zusammen mit Jonas Kaufmann debütiert, war also mit dem Partner
bestens eingespielt. Für die beiden Festspiel-Aufführungen im Juli 2015
wurde ein Tausch arrangiert: Opolais für die beiden Manon Lescauts, dafür
Netrebko erstmals als Tatjana in München an den beiden ursprünglich für
Opolais geplanten Terminen. Also alles in Butter; weitere Terminpläne der
STO mit Netrebko werden von all dem nicht berührt.
Zur Aufführung:
Hans Neuenfels hat sich keine „andere“ Geschichte ausgedacht, aber er
zeigt uns eine rabenschwarze Version: Die Bühne von tiefschwarzen Wänden
eingehaust, die Kostüme überwiegend schwarz oder zumindest dunkel. Zu dem
drückenden Schwarz kommen einige Silber- und Weißeffekte durch diverse
Requisiten und die Kostümierung des Volkes/Chores – BB: Stefan Mayer,
Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer. Mit den auf einen Zwischenvorhang
projizierten Zwischentexten lehnt sich Neuenfels an den in der Ich-Form
geschriebenen Roman das Abbé Prévost und vielleicht noch mehr an das
Schauspiel von Carl Sternheim (1921) an. Durch diese Texte verstärkt sich
der Eindruck, dass es hier vorrangig um Des Grieux‘ tragische Geschichte
geht und Manon nur die Ursache derselben ist. Und irgendwie rutscht sie so
bei Neuenfels ein bisschen sehr aus der Hauptdarstellerinnen-Position.
Regisseur laut Artikel im Monatsheft der STO nicht recht anfreunden.
Prächtig aufsingend (Sören Eckhoff), im 1. Akt Studenten, in der Folge „das
Volk“, zeigt Neuenfels uns so eine Art „Marsmännchen“, lustige, im Alu-Look
gekleidete Sciencefiction-Figuren mit Riesenpopos und knallroten
Bürstenhaaren. (Meinte jemand, es könne sich hier um Glühwürmchen handeln,
aber Neuenfels hatte ja beteuert, dass es diesmal keine Viecher zu sehen
gäbe.) Im 2. Akt werden diese Figuren zusätzlich in lila Kardinalsmäntel
gehüllt und umranden mit voyeuristischem Interesse Manons Boudoir. Die
Polizei (Ende 2. Akt) und die Wächter im 3. Akt sind allesamt Bogenschützen,
welche ihrer Aufmachung gemäß ebenfalls recht gut in einen
Sciencefictionfilm passen würden.
Im Boudoir des 2. Akts wäre nun
der Moment gekommen, die Verführerin zeigen zu dürfen. Wie sie das kann, hat
Kristine Opolais bei der Londoner Manon Lescaut bestens demonstriert. Hier
ist sie in einen braven, schwarzen Hosenanzug gekleidet (das bissel
Dekolleté reißt’s auch nicht raus), und wird mit den ihr aufoktroyierten
kaum aufreizenden Bewegungen der Chance beraubt, irgendwie Erotik
auszustrahlen. Jonas Kaufmann hat man einen Vollbart verordnet (+ schwarzem
Knautsch-Anzug), bleibt bloß unverständlich, wieso man die bereits grauen
Wangenpartien nicht eingeschwärzt hatte. Er ist schließlich ein junger
Student….
Im 3. Akt, vor der Einschiffung nach Amerika, kommt endlich
der Punkt, wo die beiden Hauptdarsteller normal, soll heißen, im Sinne des
Stückes so richtig ihre Emotionen freilassen können. Im 4. Akt, wenn sie
schließlich ganz alleine vor sich hin sterben, können Kristine Opolais und
Jonas Kaufmann die Welt rundum vergessen machen. Stimmlich beeindruckte
Opolais‘ Sopran in der Londoner Aufführung mehr, strahlte dort mehr Fülle
und Wärme aus. Jonas Kaufmann demonstrierte in Perfektion und mit viel Glanz
und Pracht, was ein italienischer Heldentenor drauf haben kann und sollte.
Bei besonderen Power-Stellen kamen Gedanken an Mario del Monaco auf, bloß
dass Kaufmann über mehr gestalterisches Raffinement verfügt.
Wenn im
Wiener Kurier stand: … machten ein Altmeister (Hans Neuenfels) und ein
Großmeister (Jonas Kaufmann in Traumform) den Abend zum Triumph, so stimmt
das im Falle Kaufmann unbedingt, während man über den angeblichen Triumph
Neuenfels‘ durchaus divergierender Meinung sein kann. Die Presse jubelte
zwar überwiegend, aber im Publikum schien der erste Buhsturm doch weitaus
orkanöser als die dagegen gehaltenen Zustimmungen. Da hier aber
erfreulicherweise wenigstens das Stück als solches stattfinden darf, könnten
sich in weiteren Aufführungen, wenn die Distanz zum Regisseur größer
geworden ist, die Protagonisten mehr persönliche Freiheiten erlauben und
somit die ganze Chose weiter be-leben.
Das übrige Ensemble: Dean
Power/Edmondo mit jugendlich frischem Tenor avanciert durch seine hellere
Kostümierung quasi zur „Lichtgestalt“. Markus Eiche ist vielleicht am
schicksten gekleidet und gibt mit seinem Charakterbariton einen adäquaten
Lescaut. Eindrucksvoll die leuchtenden Spielkarten (Tablets?) im 1. Akt als
es um seine Spielsucht geht. Okka von der Damerau lässt ihren Samt-Mezzo als
Musikus erklingen, assistiert von vier Chordamen. Wozu man für den Geronte
das Stuttgarter Uraltgestein Roland Bracht mit altersgemäß „wobbeldem“ Bass
anmieten musste? So greisenhaft muss dieser Galan ja nun wirklich nicht
sein. Kein Wunder, dass er sich offenbar eher dem Voyeurismus zuneigt als
spezielleren Freuden. Hier wäre durchaus Christoph Stephinger einsetzbar
gewesen, der als Sergeant bei der Einschiffung fungierte. Mit schönem
Material fiel Evgenij Kachurovsky vom Opernstudio als Kommandant auf.
Mit dem Dirigat von Alain Altinoglu konnte ich nicht recht glücklich
werden. Puccini braucht Bögen – Bögen – Bögen! Nicht nur beim Gesang, auch
vom Orchester. Selten jedoch habe ich einen derart legatoarmen Puccini
vernommen. Wohl kümmert sich Altinoglu fürsorglich um die Sänger, aber der
orchestrale Gesamteindruck war letztlich unbefriedigend, was beim berühmten
Zwischenspiel ganz besonders deutlich wurde (man erinnere sich an Luisis
Musterinterpretation).
Leben kann man mit dieser Version auf jeden
Fall besser als mit Homokis Machwerk, aber ein großer Wurf ist diese NI auch
nicht. Und stünde Jonas Kaufmann einmal nicht zur Verfügung, schon gar
nicht….
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