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Tiroler Tageszeitung, 17.11.2014 |
Von Jörn Florian Fuchs |
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Puccini: Manon Lescaut, Bayerische Staatsoper, München, 15. November 2014 |
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Eiskaltes Psychostück mit Rätseln
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Hans Neuenfels inszeniert Puccinis „Manon Lescaut“ im Münchner
Nationaltheater. |
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Glaubt man dem Kartenbüro der Bayerischen Staatsoper, so war die Premiere
von „Manon Lescaut“ siebenfach überbucht. Das lag sicher am Münchner
Hausgott Jonas Kaufmann, der den Des Grieux sang und – nehmen wir es vorweg
– wirklich überzeugte. Zwar fehlen ihm in der Mittellage ein paar Farben,
doch sitzt jeder Ton. Dazu kommen fein abgeschmolzene Schmerzenslaute ohne
das unangenehm Gaumige, mit der Kaufmann oft Wagner singt. Für Puccini ist
er eine Idealbesetzung.
Die riesige Kartennachfrage hatte aber wohl
in erster Linie mit Anna Netrebko zu tun, die für die Titelpartie
verpflichtet war. Sie sprang kurzfristig ab. Mit dem Regiekonzept von Hans
Neuenfels habe sie sich nicht anfreunden können, hieß es, was einem
merkwürdig vorkommt. Dazu später mehr. Doch zunächst ist Einspringerin
Kristine Opolais zu würdigen, die manchen vokalen Gipfel zwar etwas grob
erklomm, ihre Sache jedoch in der Summe gut machte. Fantastisch gelangen die
stimmlichen Begegnungen, Überschneidungen, Umschmeichelungen von Kaufmann
und Opolais, vermutlich war Opolais hier sogar die bessere Wahl. Anna
Netrebkos voluminöses, dunkles Timbre wäre vielleicht zu ‚durchschlagend‘
gewesen.
Am Pult des Bayerischen Staatsorchesters wirkte Alain
Altinoglu und dirigierte in den ersten beiden Bildern einen sehr
analytischen Puccini ohne den üblichen Krach. Nach der Pause gab es leider
dann doch öfters Krawall aus dem Graben, wobei Altinoglu immerhin sorgsam
aufs Nichtzudecken der Sänger achtete.
Regie-Veteran Hans Neuenfels
arbeitet bei seiner ersten Puccini-Inszenierung mit ein paar Versatzstücken
früherer Arbeiten. Gelegentlich verwandelt sich ein Sänger in einen Vogel,
die Farbdramaturgie schwankt meist zwischen Grau und Schwarz. Ein
Bewegungsensemble aus jungen Frauen trägt Jogginganzüge mit sehr speziellen
Mützen. Ein bisschen sehen die Damen aus wie Mäuse mit einem bösen Hauch
Ku-Klux-Klan. Der brillant singende Staatsopernchor indes ist buchstäblich
perückend, er tritt mit exaltiertem roten Haarschopf auf und agiert mal als
Beobachter, mal wirken einzelne Choristen am Untergang des Liebespaars mit.
Manon ist ja ein zwischen echter Liebe zu Des Grieux und der Gier nach
weltlichem Tand hin- und hergerissenes Mädchen, ihren Geldgeber Geronte
zeigt die Regie als dicke, impotente Witzfigur. Roland Bracht singt und
spielt das herrlich rumpelnd. Im Stück wird Manon wegen Unzucht angezeigt,
kommt in den Knast, landet als Strafgefangene in Amerika, wohin ihr Des
Grieux nachreist. Dort findet das Paar nur kurzzeitig Glück, am Ende landen
beide in der Wüste, Manon verdurstet und Des Grieux bleibt zurück. Puccini
erzählt diese Geschichte nicht sauber linear, sondern wirft Schlaglichter
auf die Personen und Situationen. Hans Neuenfels erläutert manches durch
Zwischentexte, die leider manchmal stark vom Inhalt abdriften und schlicht
blödsinnig sind („Besser ein geschlachtetes Schwein als eine vegane
Enttäuschung“). In einem von Neonröhren umgebenen Kasten spielt sich alles
ab, im dritten Bild sieht man eine Eisentür mit großem Brandloch, das
Schlussbild spielt auf leerer Bühne.
Weil die Personenführung
weitgehend konzentriert ist und viele der einschlägigen Neuenfels’schen
Mätzchen fehlen, wird aus dem kitschbelasteten Stück ein klar erzähltes
Psychodrama, das selbst Puccini-Skeptiker überzeugen dürfte. Im
Nationaltheater war das Verhältnis zwischen Bravos und Buhs etwa vier zu
drei. Ein Rätsel bleibt allerdings, warum Frau Netrebko wirklich abgesagt
hat, am Regiekonzept kann es eigentlich nicht liegen.
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