|
|
|
|
Der Standard, 7. April 2013 |
Stefan Ender |
|
Schubert: Winterreise, Wien, Konzerthaus, 6. April 2013 |
|
Schuberts "Winterreise": Allertraurigste Intensität
|
|
Jonas Kaufmann und Helmut Deutsch im Konzerthaus
Wien - Ja, singt er denn nun? Tagelang hatten die Wiener dem
Staatsoperndirektor fragend in den Ohren gelegen. Ja, er hat den dritten
Parsifal gesungen, einem nachösterlichen Erweckungserlebnis vom Krankenbett
sei Dank, und noch im Schlussapplaus wurde Jonas Kaufmann von Wien heute
befragt, wie es denn so war. Opernverrücktes Wien.
Vor nicht allzu
langer Zeit hat der Deutsche einen Liederabend in der Staatsoper gegeben,
Schuberts Schöne Müllerin. Eine Magen-Darm-Grippe hatte ihn seinerzeit
inkommodiert, beim Liederabend im Konzerthaus erwähnte er eingangs
Kreislaufprobleme - er blieb jedoch stand- und stimmfest. Visionär hatte
Kaufmann die Beharrlichkeit der kalten Jahreszeit vorgeahnt und also
Schuberts allertraurigstes Allerheiligstes, die Winterreise, für diesen
Aprilabend angesetzt.
Am Klavier begleitete, wie fast immer,
Kaufmanns früherer Lehrer Helmut Deutsch. Es war eine Lehr- und Sternstunde
in Sachen Liedbegleitung. Sah man von Gute Nacht ab - deren Ereignisse in
einer transportbandartigen Gleichmäßigkeit abrollten -, so pflegte Deutsch
eine weiche und doch deutliche, die Geschehnisse sprechend darstellende
Spielweise. Wundervoll die Führungsstärke der linken Hand in Auf dem Flusse,
oder das zwischen Ruhe und trotziger Kraft aufgespannte Vor- und Nachspiel
von Das Wirtshaus.
Kaufmann war schön und sang schön, mit hoher
Suggestionskraft und Intensität: ein wirkungsmächtiger Geschichtenerzähler,
der weiß, dass das Dämpfen der Stimme die Aufmerksamkeit des Zuhörers
erhöht. Es war eine über weite Strecken sotto voce vorgetragene Winterreise,
Ausritte in die Gefilde kriegerischer Attacke (Wasserflut) mit
eingeschlossen. Die leichte Nuance des Meckernden in seinen kantablen Linien
- geschenkt.
|
|
|
|
|
|