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Wiener Zeitung, 08.04.2013 |
Von Rainer Elstner |
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Schubert: Winterreise, Wien, Konzerthaus, 6. April 2013 |
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Eine "Winterreise" in den Wahn
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Jonas Kaufmann bat vor seinem Liederabend im Wiener Konzerthaus für
Verständnis: Nach seiner überstandenen Verkühlung sei sein Kreislauf noch
angeschlagen. Doch man durfte sich entspannen: Der deutsche Tenor musste
seine Stimme nur selten auf dünnes Eis führen: Mit ihrer baritonalen
Färbung, ihrem breiten Strömen und tragendem Pianissimo waren die idealen
Voraussetzungen für eine beeindruckende Schubert’sche "Winterreise" gegeben.
Feinste Stimmengeflechte Kaufmanns Interpretation
war in jeder Nuance packend. Text und Melodie standen sich nie im Wege,
sondern ergänzten sich in Ausdruck und Klangfarbe. Jede Verszeile war in
schauspielerischer Weise ausgeleuchtet, ohne der Musik Gewalt anzutun.
Kaufmann gestaltete die "Erstarrung" mit eindringlicher Linienführung, die
Zweige des "Lindenbaums" raunten einen weichen und sanften Ruf und die
"Wasserflut" stürzte in harten dynamischen Kontrasten. Mit "Auf dem Flusse"
webten Kaufmann und sein einfühlsamer Pianist Helmut Deutsch feinste
Stimmengeflechte. Kaufmann nutzte die gesangliche Bandbreite von strenger,
klarer Intonation bis zu opernhaften Klanggesten.
Zuletzt vermittelte
Kaufmann einen Menschen im Wahn: Mit der "Täuschung" setzte das Abheben von
der Realität ein, mit dem "Wegweiser" fand sich das lyrische Ich bereits im
Reich der wirren Phantasien. Die letzten Worte an den Leiermann wurden zum
Mini-Drama, ein Crescendo diente als Absprungrampe in eine andere Welt. Ein
Schluss, der einem für kurze Momente den Boden unter den Füßen wegzog.
Großer Jubel für zwei grandiose Interpreten.
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