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in Franken, 28. Juni 2013 |
von MONIKA BEER |
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Verdi: Il trovatore, Bayerische Staatsoper, 27. Juni 2013 |
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Einfach beglückend: Harteros und Kaufmann
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Die "Troubadour"-Neuinszenierung in München ist mit Anja Harteros als Leonora, Jonas Kaufmann als Manrico und Paolo Carignani am Dirigentenpult luxuriös besetzt. Das Publikum bejubelte zum Auftakt der Münchner Opernfestspiele vor allem die Sänger. Für Regisseur Olivier Py gab es auch Buhrufe. |
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"Ich gehe in die Oper", sagte vielseitige französische Künstler Olivier Py
in einem Interview vor der Premiere, "um verrückte Menschen zu sehen, um ein
Echo auf die eigene Verrücktheit zu erleben, einen Dialog mit ihr zu
führen." Für die Bayerische Staatsoper hat der Regisseur diesen Satz anhand
der vor 160 Jahren uraufgeführter Oper "Il trovatore" (Der Troubadour) von
Giuseppe Verdi sinnfällig umgesetzt. Zum Auftakt der Münchner
Opernfestspiele 2013 bejubelte das Publikum am Donnerstag allerdings in
erster Linie die verrückt machend guten Hauptsolisten.
Die
Sopranistin Anja Harteros und der Tenor Jonas Kaufmann sind seit ihrem
gemeinsamen "Lohengrin"-Debüt 2009 gewissermaßen das Traumpaar am
Nationaltheater - zwei längst weltweit gefeierte Sängerdarsteller, bei denen
stimmliche und schauspielerische Ausdruckskraft, Differenzierung und Präsenz
ein ideales Höchstmaß erreicht haben. Es ist beglückend, diese Interpreten
jetzt auch als Leonora und Manrico auf der Bühne erleben zu dürfen.
Spitzenrang der Staatsoper Es lohnt sich auch der
anderen Protagonisten wegen. Elena Manistina ist eine bannende, in jeder
Hinsicht starke und doch von Schmerzen zerrissene Azucena, Alexey Markov ein
Graf Luna, der versucht, den einseitigen Finsterling ab- und als durchaus
gut funktionierender Machtmensch dennoch Gefühle an den Tag zu legen. Dass
selbst die kleinere Rolle des Ferrendo mit Kwangchul Youn besetzt ist,
unterstreicht den Spitzenrang der Staatsoper. Was sich unschwer an den
hoffnungslos ausverkauften "Trovatore"-Vorstellungen ablesen lässt.
Dass die Neuinszenierung auch darüber hinaus sehens- und hörenswert ist,
können Opernfreunde ohne Kartenglück zumindest ein bisschen nachvollziehen:
Am 5. Juli um 19 Uhr wird die Produktion in der Premierenbesetzung als
kostenloser Livestream ins Internet übertragen (www.staatsoper.de/tv). Man
darf gespannt sein, ob die fast vierzig dabei eingesetzten Mikrofone es
schaffen, nicht nur die große Spannbreite zwischen betörend zartem Piano und
mitreißender Stimmkraft der Solisten wiederzugeben, sondern auch die
Feinheiten der orchestralen Interpretation.
Alles klingt echt
italienisch Unter Paolo Carignani klingt das Bayerische
Staatsorchester so, als säßen im Orchestergraben ausschließlich Italiener.
Bei aller Könnerschaft kann man gewissermaßen die dörfliche Banda deshalb
noch heraushören, weil jeder Einsatz, jeder Ton, jedes Crescendo und
Descrescendo, jedes Rubato sich entwickelt, als wäre es das Natürlichste der
Welt. Wann hat man das kleine Vorspiel zum 4. Akt zuletzt so traumverloren
weich und perlend erlebt? Wann derart federnde Rhythmuswechsel, so viele
instrumentale Farben und Kontraste?
Dass Verdi auch räumlich
komponiert hat und, was die Solisten betrifft, eben nicht nur eine
Rampenoper, haben Regisseur Olivier Py und sein Ausstatter Pierre-André
Weitz sehr wohl verstanden. Und ein zeitloses und doch zeitnahes Ambiente
geschaffen, in dem das alptraumhafte düstere Mantel- und Degen-Stücks, die
im frühen 15. Jahrhundert in Spanien spielt, auch hier und heute verstanden
werden kann. Die vielteilige Wellblecharchitektur könnte aus einem Western
der Schwarzweißfilmzeit stammen, aber ebenso hat wohl auch der
metaphysisch-surrealistische Maler Giorgio de Chirico Pate gestanden.
Tänzer zeigen das Unbewusste Die traumatischen
Ereignisse und Obsessionen, die hinter dieser Horrorgeschichte stehen, zeigt
der Regisseur entwaffnend direkt: anhand einer alten, langhaarigen, zuweilen
komplett nackten Tänzerin, die als Azucenas Mutter auf der Drehbühne auch
dann präsent scheint, wenn man sie nicht sieht, anhand von unterschiedlich
dimensionierten Baby- und Erwachsenenpuppen. Und anhand von zwei weiteren
Tänzern, die unter anderem in Tiermasken das Unbewusste, Unterbewusste, das
Triebhafte der Protagonisten visualisieren.
Es gibt ein Theater auf
dem Theater, vortrefflich für die vielen Rückblenden und Erzähl-Passagen,
dazu immer wieder Feuer und - augenzwinkernd sogar in der Pause -
Zirzensisches mit einem zersägten Jonas Kaufmann. Irgendwo dreht sich immer
unerbittlich ein Schicksalsrad, das aus dem Zeitalter der Industrialisierung
stammt. Womit sich endlich auch einmal die obligatorischen Hammerschläge zu
Beginn des zweiten Teils sinnfällig umsetzen lassen: auf einer
Dampflokomotive und mit einer Tänzerin, die die machtvollen Choreinlage mit
eindeutigen rhythmischen Bewegungen zusätzlich anheizt.
Dass auch
Intendant Nikolaus Bachler weiß, wie man dem Affen Zucker gibt, liegt auf
der Hand. Anja Harteros und Jonas Kaufmann sind schon bei der nächsten
Verdi-Premiere an der Staatsoper wieder mit von der Partie: als Leonora und
Alvaro in "La forza del destino" (Die Macht des Schicksals) am 22. Dezember.
Stichtag für den schriftlichen Vorverkauf ist der 28. September.
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