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Abendzeitung, 28.06.2013 |
Robert Braunmüller |
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Verdi: Il trovatore, Bayerische Staatsoper, 27. Juni 2013 |
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Opernherz, was willst du mehr?
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Die beste Münchner Verdi-Aufführung seit Jahrzehnten: Verdis „Il trovatore“
mit Anja Harteros und Jonas Kaufmann, versetzt mit Zirkusluft durch Oliver
Pys mitreißende Regie
Enrico Caruso soll gewitzelt haben, ein
perfekter „Il trovatore“ sei eine leichte Sache: Man nehme einfach die vier
besten Sänger der Welt. Der Bayerischen Staatsoper ist ein solches
Besetzungskunststück gelungen – und damit eine feurige Aufführung, die Herz
und Hirn gleichermaßen mitreißt.
Es ist der beste Verdi seit gut 25
Jahren im Nationaltheater. Wann hat es je ein „Lohengrin“-Traumpaar gegeben,
das einem auch bei Verdi den Atem raubt? Anja Harteros und Jonas Kaufmann
sind eine Wucht. Die Sopranistin aus dem Bergischen Land ergreift im
schwebenden Pianissimo in der zurückgenommenen Arie „D’amor sull’ali rosee“
und in der Sterbeszene. Sie schleudert aber auch Koloraturen als hocherregte
Seelenzustände in den Raum. Zu alledem spielt Anja Harteros auch noch eine
hochromantische Figur, zwischen Verzweiflung, Todesnähe und Sehnsucht hin-
und hergerissen, völlig glaubhaft, fern jeder falschen Theatralik.
Jonas Kaufmann verkörpert den Manrico als draufgängerischen Outlaw. Der
Münchner hat alles, was zu einem italienischen Tenor gehört, ohne je in
Mätzchen oder Posen zu verfallen. „Ah, si ben mio“ ist voller Weltschmerz.
Dann wagt der Münchner nicht nur eine, sondern beide Strophen der
berühmt-berüchtigten Stretta „Di quella pira“ – und krönt sie mit einem
hohen C. Endlich ist es wieder einmal da, das lang vermisste Opern-Kribbeln
und der große Thrill. Und wo gibt es einen Weltstar, der sich nebenbei am
Ende der Pause als szenische Zwischenmahlzeit wie eine Jungfrau zersägen
lässt?
Auch der Luna ist eine runde Gestalt: Alexey Markov singt „Il
balen“ elegant, wenn auch mit ein paar unschön gefärbten Stellen. Der
metallische Kern seiner Stimme drückt das Herrenmenschentum dieses
Reitpeitschen-Grafen auch vokal aus. Elena Manistinas flackrige Azucena
gerät etwas konventionell. Dafür reißt einen die einleitende Szene des
Ferrando gleich ins Stück hinein, weil Kwangchul Youn mit bassigem Gewicht
und perfektem Parlando die Nebenfigur zu einer Hauptrolle adelt.
Stark auch Olivier Pys Inszenierung: Sie lässt Verdis Oper zur ihren oft
beschworenen Wurzeln im Zirkus und Popular-Theater zurückkehren. Die
Geschichte beginnt auf der Bühne: Ferrando erzählt die verwirrende
Vorgeschichte von den Söhnen des Grafen seiner Theatertruppe. Das
verwirrende Melodram wird sehr geschickt in Anführungszeichen gesetzt, die
Mutter- und Rache-Traumata in Rückblenden vergegenwärtigt.
Die
Wanderbühnenwelt besticht als Bild der existenziellen Unbehaustheit der
Figuren und ihrer Ruhelosigkeit. Das knarzende Räderwerk der Bühnentechnik
dreht sich als Mahlwerk des Schicksals und erledigt zuletzt alle
(Ausstattung: Pierre-André Weitz). Die Bilder sind eindeutig und zugleich
offen für Assoziationen. Ob das Feuerkreuz und die Kapuzenmönchen auf den
Ku-Klux-Klan oder auf die spanische Inquisition anspielt: Beides meint eine
Gnadenlosigkeit, die verbrannte Erde und zerstörte Seelen zurücklässt.
Die Sänger sind zwei Deutsche, zwei Russen und ein Koreaner, der
Regisseur Franzose. Einen Italiener gibt es auch, und er ist das Herz dieser
aufregenden Aufführung: Paolo Carignani vereint die alten Tugenden der
Kapellmeisterei mit einem modernen Sinn für Orchesterfarben. Selbst
nebensächliche Begleitakkorde lädt er mit Bedeutung auf, ohne aber gleich
den Zeigefinger zu heben. Der Dirigent begleitet respektvoll und zwängt die
Musik nicht in ein allzu rigides Korsett. Er lässt es nicht nur dramatisch
krachen, sondern holt ein breites Spektrum an Schattierungen der Lautstärke
aus dem bestens aufgelegten Bayerischen Staatsorchester und den kraftvollen,
von Sören Eckhoff einstudierten Chören heraus. Opernherz, was willst du
mehr?!
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