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inFranken.de |
MONIKA BEER |
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Wagner: Parsifal, Metropolitan Opera, 2.März 2013 |
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Grandioser Kinoabend mit dem Met-"Parsifal"
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Die Live-Übertragung des Bühnenweihfestspiels aus dem Metropolitan
Opera House in New York war ein Ereignis. Sowohl die Inszenierung als auch
herausragende Sänger begeisterten.
Dass Wagner-Opern nicht
museal sind, sondern auch uns Menschen des 21. Jahrhunderts etwas zu sagen
haben, hat sich herumgesprochen. Als Peter Gelb, Intendant der New Yorker
Met, François Girard mit der "Parsifal"-Neuinszenierung beauftragte,
entwickelte der frankokanadische Regisseur mit seinem Team ein Konzept, das
schon bei der Premiere Mitte Februar fast einhellig bejubelt wurde und das
am 2. März weltweit viele Besucher der Live-Übertragung im Kino begeisterte.
Endlich wieder ein "Parsifal", der die religiösen und spirituellen Aspekte
von Wagners Weltabschiedswerk ernst nimmt!
Die Vergegenwärtigung
beginnt schon beim Vorspiel: Während die Musiker unter Daniele Gatti
beschwörend zart anheben, stehen Männer und Frauen noch gleichberechtigt auf
der Bühne, starren auf die Zuschauer, legen wie in einem langsamen Ritual
ihre Jacken, Krawatten, Schuhe und Strümpfe ab (Kostüme: Thibault
Vancraenenbroeck). Wenn der Portalschleier sich hebt, befinden sich die
Menschen in einer ausgetrockneten apokalyptischen Landschaft (Bühne: Michael
Levine), über die sich ein bedrohlicher Himmel wölbt (Video: Peter
Flaherty).
Unmerklich hat eine Geschlechtertrennung stattgefunden:
Links stehen vereinzelt wie Statuen die verschleierten Frauen in ihren
schwarzen Kleidern, rechts bilden die Männer in weißen Hemden und dunklen
Hosen einen magischen Stuhlkreis (Choreografie: Carolyn Choa), dazwischen
hat ein Rinnsal eine Grenzlinie ausgewaschen. Die eindeutig von Männern
dominierte düstere Gralsgeschichte kann beginnen. Sie wird erzählt mit
einfachen Theatermitteln: mit vielsagendem Körpertheater, mit nur wenigen
Requisiten, mit wirkungsmächtigen Bildern und herausragenden
Sängerdarstellern.
Nur zwei Figuren, die zu Beginn in diese
hoffnungslos gewordene Gralswelt geraten, sind anders: Kundry kommt mit
ihrem schwarzen und reich geschmückten Sonntagsstaat sichtlich aus einer
anderen Zeit, Parsifal hebt sich durch seine lange blaue Hemdjacke über der
blauen Hose und seine Schuhe von den anderen ab. Amfortas wird nicht auf
einer Bahre hereingetragen, sondern stützt sich qualvoll auf zwei seiner
Gralsbrüder. Am Ende des 1. Akts, wenn Parsifal zwar schon viel von dem sich
vor ihm abspielenden Gralsritual, aber noch nicht alles verstanden hat,
klafft der Bühnenboden wie bei einem Erdbeben etwas auf und lässt ihn in
eine Feuerhölle blicken.
Dort ist Klingsors unterirdischer Garten, wo
zwischen zahlreichen Speeren die in Unschuldsweiß gekleideten Blumenmädchen
in Blut waten und wie Kundry auf ihren Einsatz warten. Der 3. Akt weckt
zunächst Assoziationen an den Kalvarienberg, der Karfreitagszauber findet in
erster Linie in der wunderbar zarten stimmlichen Interpretation von Jonas
Kaufmanns gealtertem Parsifal statt. Am Ende, wenn der neue Gralskönig den
Speer in den von Kundry gehaltenen Gralskelch senkt, darf sie - wie es im
Libretto steht - entseelt zu Boden sinken, während die Männer sich nun
endlich den fast ständig präsenten anderen Frauen vorbehaltlos nähern.
Bei jedem Detail ist zu spüren, dass der Regisseur sich genau, tief und
ernst mit der Materie beschäftigt und stets auf die Musik gehört, sie
verinnerlicht hat. Ein solches Mitdenken eines Szenikers eröffnet den
Sängerdarstellern außergewöhnliche Ausdrucksmöglichkeiten. Die Opern- und
Wagnerstars, die die Met engagiert hat, wissen sie zu nutzen. Jonas Kaufmann
überzeugt in der Titelrolle nicht nur, wenn er mit seiner baritonal
fundierten, schön timbrierten Tenorstimme spielerisch leicht den riesigen
Zuschauerraum füllt, sondern ebenso, wenn er es wagt, sie zerbrechlich zart
und leise werden zu lassen.
Ein ebenso intelligenter Solist ist René
Pape, dessen großes Können und lange Wagnererfahrung in einen Gurnemanz
fließt, wie ich ihn sängerdarstellerisch so intensiv gestaltend noch nicht
erlebt habe. Dezent, dafür mit umso größerer natürlicher Autorität setzt er
delikate stimmliche Ausdrucksfeinheiten, wie sie vielleicht doch nur
muttersprachlichen Interpreten vorbehalten sind. Wie Kaufmann weiß er bei
jedem Wort, was er tut, was gemeint ist und was alles dahinter stehen
könnte.
Dass auch ein Rollendebütant so etwas schafft, ist die
eigentliche Sensation des Met-"Parsifal": Peter Mattei erreicht als der an
den Beinen gelähmte Amfortas auf Anhieb eine staunenswerte Intensität. Sein
Kontrahent Klingsor ist mit dem stimmlich etwas raueren Evgeny Nikitin
ebenfalls ideal und prägnant besetzt. Nur der sängerischdarstellerisch fast
alle Klippen meisternden, aber letztlich pauschal und distanziert klingenden
Kundry von Katarina Dalayman fehlt diese direkte Wirkung, der direkte Draht.
Was sich von den exzellent besetzten Soloblumen nicht behaupten lässt. Von
ihnen hätte auch ich mich schnell verführen lassen.
Apropos: Daniele
Gatti verführt einen dazu, hinter all den höchst unterschiedlichen
"Parsifal"-Musiken vor allem die Menschlichkeit herauszuhören - und das
passt ideal zu einer Inszenierung, die verstörend, bewegend, herzzerreißend
und poetisch nach nichts anderem sucht. Inständig möchte man hoffen, dass
diese auch technisch brillant umgesetzte Inszenierung mit dieser Besetzung
noch oft genug wiederaufgenommen werden kann, damit viele Menschen diesen
inspirierenden Wagnerabend direkt in der Met erleben können. Vielleicht
haben ja auch die derzeitigen Festspielleiterinnen sich die Produktion
angesehen. Sie sollten sich unter anderem fragen, warum so einzigartige
Wagnerinterpreten wie René Pape und Jonas Kaufmann nicht mehr in Bayreuth
singen - und auch nicht der wegen seiner Tattoos in die Schlagzeilen
geratene Evgeny Nikitin. Ach, Bayreuth.
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