Augsburger Allgemeine, 24. Dezember 2013
VON MANFRED ENGELHARDT
 
Verdi: La forza del destino, München, 22. Dezember 2013
 
Die Macht der Stimme
 
Verdis „La forza del destino" in München mit Sänger-Traumpaar
 
Kurz vor Ende des Verdi-Jahres startete die Bayerische Staatsoper in München eine weitere Jubiläumsrakete. Nach dem „Troubadour" bei den Opernfestspielen war es jetzt Residenztheater-Intendant Martin Kusej, der „La forza del destino" inszenierte. „Die Macht des Schicksals" findet bei Verdi zwar immer statt, doch in dieser Oper wird wie in keiner seiner anderen das Tableau menschlicher Verlorenheit ausgebreitet — was der Regie-Berserker mit abgründiger Bildsprache ausdrückt. Die Macht der Verdi-Stimmen beherrscht aber auch seine Abgründe. In München singt ein Traumpaar der italienischen Oper: Anja Harteros und Jonas Kaufmann. Für beide war es ein Rollendebüt.

Mit Trampeln und „Brava"- bzw. „Bravo"-Jubelrufen wurden auf offener Bühne ihre Auftritte quittiert — so etwa, wenn die Sopranistin als Marchese-Tochter Leonora wegen einer sich anbahnenden unstatthaften Beziehung zum Halbblut Alvaro die Heimat verlassen muss und ihr „dolce mia terra! addio!" mit einer glühenden Farbskala zwischen gebethaft samtener Inbrunst und großem vokalen Schmerzensbogen zelebriert.

Oder wenn Kaufmann als Inka-Abkömmling Alvaro, in Kriegswirren untergetaucht, seine Fernliebe zu Leonore und die bizarre Situation seiner Abkunft durchlebt. „La vita e inferno all'infelice" war ein tenoraler Bravourakt, geschmeidig, glänzend, präzis attackierend wie all die Kampf- und Sehnsuchtsstationen dieser absurd unglücklichen Figur.

„Bravi" galten auch den anderen Sängern, zuvörderst Ludovic Tézier. Der Franzose als Carlo, der die Ehre seiner angeblich von Alvaro geschändeten Schwester Leonore durch sinnlose Rachepläne retten will, ergänzte mit hinreißend plastisch modellierendem Bariton dieses abstruse Schicksalstrio.

Martin Kusej steigerte kontinuierlich den Horrorfaktor der Schauplätze (Martin Zehetgruber). Das öde 50er-Jahre-Mobiliar von Leonoras Familie Calatrava und die noch beklemmendere Resopal-Büro-Optik des Klosters, worin Alvaro wie Leonora ihren Frieden finden wollen — sie sind das Eine.

Albtraumhafte Massenszenen aber (hervorragend Sören Eckhoffs Chöre) sind das Andere: hypnotisiert taumelnde Konsumbürger und — in den Soldaten- und Kasernenszenen — apokalyptisch träge sich wälzendes Massenorgien-Personal. Dies bebildert mit böser, teils sarkastischer Konsequenz Verdis Musik.

Dirigent Asher Fish ließ es an bebender Intensität nicht fehlen. Jubel für die Musiker. Regisseur Kusej kam durchaus gut weg.













 
 
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