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Südwest Presse, 27.12.2013 |
JÜRGEN KANOLD |
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Verdi: La forza del destino, München, 22. Dezember 2013 |
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Unter Kreuzen begraben
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"Die Macht des Schicksals", wie sie brachialer kaum zuschlagen könnte. Während Martin Kusej an der Bayerischen Oper eher platt inszenierte, sorgten Anja Harteros und Jonas Kaufmann für Begeisterungsstürme.
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Der Vater tot, der Geliebte fort, jetzt liegt die Sopranistin völlig
verzweifelt auf dem Tisch. "Brava!" rufen die Zuschauer der Guten zu,
grammatikalisch korrekt. War ja auch großartig gesungen. Der Tenor verblutet
fast auf offener Bühne, erntet dafür aber Ovationen. So ist italienische
Oper. Auch in Deutschland: "Die Macht des Schicksals" (La forza del destino)
hatte Premiere im Münchner Nationaltheater, ein starkes Finale des
Verdi-Jahres. Denn was die Bayerische Staatsoper aufgeboten hatte, war
Weltklasse: Anja Harteros als heilige Leonora, Jonas Kaufmann als
heißblütiger Alvaro. Und Ludovic Tézier sang sich als Carlo auch die Seele
aus dem Leib.
Realistisches Spiel? Der Zuschauer war hingerissen von
der emotionalen Musik und den Stars und hätte selbst in Sterbeszenen am
liebsten Dacapo gerufen. Was der (mit Buhs) bedachte Regisseur Martin Kusej
inszenierte, war auch nicht so fesselnd, als dass man davon abgelenkt
gewesen wäre.
Wovon diese Vier-Stunden-Oper handelt, deren Fassung
von 1869 zur Aufführung kam? Von Fluch und Vergeltung. Als Alvaro, der nicht
standesgemäße Freund Leonoras, ins Haus des ehrenwerten Marchese (ein
Mafioso mit Bodyguard) hineinplatzt, kommt es zum Streit. Aus Versehen löst
sich ein Schuss aus Alvaros Pistole - und der Marchese ist tot. Ein
Unglücksfall, aber das weiß Carlo, der heranwachsende Bruder Leonoras,
nicht; er ist von Rache besessen.
Es geht um Liebe, aber es herrscht
Krieg in dieser Oper. Versöhnung ausgeschlossen. Und es passieren
unglaublich unwahrscheinliche Dinge. Das kommt in Verdi-Libretti häufig vor,
aber in diesem Werk ist alles im Titel begründet und damit gerechtfertigt:
die Macht des Schicksals. Dagegen hat keiner eine Chance. Trost stiftet
höchstens der Glaube. Fast alle gehen ins Kloster, aber dort werden sie von
einem Haufen weißer Kreuze begraben - zeigt Bühnenbildner Martin
Zehetgruber.
Kusej beginnt die Story bürgerlich: ein sittsames
Mittagsmahl vor unheilvoll wehendem Vorhang. Das Kloster, in dem Leonora
Zuflucht sucht: ein muffiger Gemeinderaum mit hölzerner Faltwand. In einer
Art Swimmingpool badet eine Männersekte das Mädchen zur Ganzkörpertaufe. Die
Feldlager- und Kriegsszenen: Mal siehts aus wie in einem zerfetzten
Stahlträger-Hochhaus, dann wie in einem Folter-Bunker, dessen Grundriss im
90-Grad-Winkel an die Wand gestellt ist - 9/11 und Abu Ghraib, ein Albtraum.
Wenn Zigeunerin Preziosilla (Nadia Krasteva) nuttig das Kriegsleben preist,
legt sich das mordende, hurende Volk leichenhaft auf den Boden zum
"Rataplan"-Chor. Und Fra Melitones Armenspeisung aus Plastikboxen führt zum
Aufstand der Hungernden.
Am Anfang hatte man sich noch gewundert,
dass die Staatsoper mit Vitalij Kowaljow einen tollen Bass nur für den
Marchese aufbietet, der doch schon im 1. Akt stirbt. Allerdings singt der
Russe im selben Kostüm auch den Pater Guardiano, was bedeutet, dass Leonora
im Kloster auf den wiedergängerischen Vater trifft, der dann frömmelnd
verfolgt, wie seine Tochter stirbt: "Durch ihr Martyrium heilig steigt sie
zum Herrn empor." Der reine Hohn. Alvaro geht entsetzt und nicht gerade
katholisch geläutert von diesem Schutthaufen aus Kreuzen ab. Frieden gibts
in dieser Welt nicht - religiösen sowieso nicht.
Das ist immerhin
eine klare Aussage. Kusej inszeniert das ganze Elend mit der Brechstange:
grob, platt, das Opernpersonal lässt er auch chargieren. Ein Regieberserker
erfüllt den Auftrag. Asher Fisch hatte in der Premiere eine ähnliche
Mission: Mit Getöse spielte das Staatsorchester. Im Riesenformat dirigierte
der Israeli die berühmte Ouvertüre mit dem von den Streichern
hingepeitschten Schicksalsmotiv krachend und pointiert, nur dass dann im
Laufe des Abends das Fieber, die Unerbittlichkeit fehlten.
Aber es
begeisterte Anja Harteros mit den engelsgleichen Gebeten der Leonora. Und
wie der im Forte-Bereich glühend-leidenschaftliche Jonas Kaufmann und der so
heldisch-martialische Ludovic Tézier in den Duellen von Alvaro/Carlo
auftraten, war pures Verdi-Feuer.
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