nmz, 23.12.2013
Joachim Lange
 
Verdi: La forza del destino, München, 22. Dezember 2013
 
Die Macht der Stimmen – Starbesetzung in Verdis „La forza del destino“
 
 
Als nach der letzten großen Premiere zum Verdi-Jahr im Münchner Nationaltheater Anja Harteros, Jonas Kaufmann, Ludovic Tézier und Vitalij Kowaljow sich Hand in Hand dem Beifallssturm stellten, brachte das den Abend ziemlich genau auf den Punkt. Diese von Martin Kusej inszenierte und von Asher Fisch dirigierte „La forza del destino“ war nämlich vor allem ein Fest der Stimmen.

Besonders das in München auch schon im „Lohengrin“ und zuletzt im „Trovatore“ gefeierte „Traumpaar“ Harteros-Kaufmann präsentiert sich in Hochform! Anja Harteros ist in jeder Hinsicht eine Idealbesetzung für die unglücklich Liebenden bei Verdi. Mit einer selten gewordenen Anmut verkörpert sie diese unglückliche Donna Leonora. Vor allem lässt sie deren Leid von Herzen kommen und vokal aufleuchten, schwebt mühelos über allen Chören, berührt mit ihren betörend sicheren Piani. Sie nimmt dem Charme einer höheren Tochter alles Despektierliche.

Sie hat sich (wie schon mit ihrer Elisabeth im Salzburger „Don Carlo“) als derzeitige Verdi-Sängerin Nummer Eins bewährt! Der deutsche Wagner- und Verdi-Tenordarling Jonas Kaufmann bietet als Alvaro nicht nur all seinem Liebhaberschmelz in der Stimme auf, sondern ist diesmal durchweg frei und strahlend! Und mit Tragik in der Stimme, weil er am Ende doch nicht zum Zuge kommt und sich dauernd gegen das Schicksal oder besser gesagt gegen den auf seine Rache- und Ehrenmorde versessenen Bruder seiner Angebeteten verteidigen muss. Aus diesem Don Carlo di Vargas macht Ludovic Tézier ein dramatisch dunkles Elementar-Ereignis von Rang! Vitalij Kowaljow gibt dem Padre Guardiano jene sonore Würde, die die Rolle des Schutzpatrons der Bedrängten, die hier dem Kloster-Oberhaupt zugestanden wird, beglaubigt.

Dass Nikolaus Bachler aber nicht nur diese zentralen Rollen referenzverdächtig besetzt hat, sondern auch sonst mit größter Sorgfalt für vokales Höchstniveau sorgt, darf als ein Gütemerkmal seines Hauses gelten.

Nadia Krasteva etwa macht als flippige Preziosilla aus der Rataplan-pim-pum-pam Einlage das Beste. Zumal der Regisseur das übrige Volk für diese merkwürdige Nummer im wahrsten Sinne flachlegt, also sich und uns mit einer martialischen Ballett-Einlage verschont.

Die moralische Verkommenheit, die der Krieg immer mit sich bringt, hat Kusej mit einer, wenn auch etwas brav verruchten Massenorgie auf den Punkt gebracht. Seinen Intendantenkollegen vom benachbarten Residenztheater wieder einmal für die Regie einzuladen, war eine gute Idee. Kusej versucht im Bühnenbild von Martin Zehetgruber redlich, den szenisch schwer zu knackenden Mord-und-Totschlag-Thriller aufs allgemein-, also auch heute noch gültige hin, auszuloten. Schon im Vorspiel versetzt er uns an eine sparsam bürgerliche Tafel vor einer riesigen Gardinenfront. Ähnlich nüchtern bleibt auch der klösterliche Rückzugsort. Rätselhaft irritierende Wucht bietet hingegen die bühnenfüllende, in die Senkrechte gestellte Draufsicht auf eine zerstörte Folter- und Schlachthaus- Ruine, in der das Grauen zu Hause ist. In der letzten Szene vor der Einsiedelei türmt sich ein Gebirge aus weissen Kreuzen auf. Auch jetzt bringt Alvaro gegen seinen Willen Don Carlo um. Als es dem im Sterben gelingt, seine Schwester zu erstechen ist das Maß voll!

Kusejs Suche nach Allgemeingültigkeit macht Sinn, sorgt aber auch dafür, dass mit dieser Stilisierung eine gewisse innere Distanz zur Szene nicht überwunden wird. So bleibt es mehr bei der Macht der Stimmen und der Musik, als der des Schicksals.

Was der neue GMD Kirill Petrenko am Pult des Bayerischen Staatsorchesters aus diesem Verdi-Abend gemacht hätte, weiß man natürlich nicht. Bei Asher Fisch klang das Orchester jedenfalls demonstrativ wie aus einem Guss. Damit entfaltete sich ein Sog, der auch über die Unterbrechungen durch die Umbauten half. Er schmiegte sich dem wogenden, zentralen Schicksalsmotiv immer wieder beeindruckend an. Mitunter hätte freilich etwas mehr Feuer der Glaubwürdigkeit des Schreckens, von dem die Musik auch kündet, gut getan. Doch alles in allem ist der Staatsoper ein würdiger Abschluss des Verdi-Jahres gelungen. Und München leuchtete mal wieder.













 
 
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