BR Klassik, 23.12.2013
Von: Franziska Stürz
 
Verdi: La forza del destino, München, 22. Dezember 2013
 
Im Kreuzfeuer des religiösen Fanatismus
 
 
Leonora leidet unter den Zwängen ihrer Familie. Als sie versucht, mit ihrem Geliebten Alvaro zu fliehen, schlägt das Schicksal grausam zu. Die Religion wird in Martin Kušejs Neuinszenierung von Verdis Oper zur dunklen Macht. Am Sonntag feierte das Werk an der Bayerischen Staatsoper Premiere - mit Anja Harteros und Jonas Kaufmann.

Es ist ein strenges Zuhause, aus dem Leonora di Vargas zusammen mit ihrem heimlichen Geliebten Alvaro entkommen möchte: schweigend sitzt die Familie in minutenlanges Gebet vertieft am kargen Tisch im freudlosen holzgetäfelten Raum. Es sieht aus wie in einem Gemeindehaus aus den sechziger Jahren, und es gibt auch diese praktische Falttür, hinter denen Bühnenbildner Martin Zehetgruber am Ende des zweiten Aktes ein swimmingpool-großes Taufbecken verbirgt, in das Leonora von langhaarigen Jüngern ausgiebig mit ganzem Körper eingetaucht wird.

Dunkle Macht des Fanatismus

Der Regieeinfall von Martin Kušej, den gleich zu Beginn getöteten Vater in der Gestalt des Pater Guardiano wieder auferstehen zu lassen, hat zwar den Vorteil, dass man den hervorragenden Vitalij Kowaljow den ganzen Abend zu hören bekommt, funktioniert dramaturgisch aber nur, wenn man die gesamte Handlung vollständig abstrahiert.

Anja Harteros erschließt mit ihrem umjubelten Rollendebüt als Leonora neue dramatische Dimensionen ihres nach wie vor in Überfülle strömenden Soprans und sie wird zur Königin des Abends. Wenn sie zu Beginn allerdings als traumatisierter Flüchtling unter den ebenfalls verstörten Choristen in den Trümmern des gerade zusammengestürzten World Trade Centers herumirrt, fragt man sich doch, wie man von der ursprünglichen Schenken – Szene zu diesen Bildern gelangen kann. Aber im Verlauf des Abends wird deutlich, dass Kušej die zerstörerische Kraft des religiösen Fanatismus als Wurzel all der tragischen Schicksale zeigen will. Dies ist die dunkle Macht der Gewalt.

Die Macht der Musik liegt in den zugkräftigen Händen von Asher Fisch, der die elegischen Passagen manchmal sehr breit nimmt, aber dann das Staatsorchester, den hervorragenden Chor und die fantastisch agierende Solistenriege wieder rasant durch die leidenschaftliche Partitur führt.

Glanzvolles Stimmenduo

Neben den lebendig choreografierten Statisten und Choristen, die als hungerndes und sexdurstiges Volk ihr Bestes geben, sind es vor allem die beiden Widersacher Jonas Kaufmann als Don Alvaro und Don Carlo di Vargas, verkörpert von Ludovic Tézier, die mit Schusswaffe und Messer zwei Drittel des Abends mit- und gegeneinander zu kämpfen haben. Keiner der beiden zeigt dabei irgendeine stimmliche Ermüdungserscheinung und Ludovic Tézier singt sich auf Augenhöhe mit Jonas Kaufmann in die Herzen des Münchner Publikums, das aufgrund der vokalen Glanzleistungen dieser Produktion schier aus dem Häuschen gerät.

Trotz der hohen Ansprüche an die Abstraktionsfähigkeit im Hinblick auf die Inszenierung, kann man diese neue Staatsopern Produktion der "Macht des Schicksals" durchaus als ein packendes und musikalisch üppiges Weihnachtsgeschenk an das Opernpublikum bezeichnen.












 
 
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