|
|
|
|
Kurier, 6.10.2013
|
|
|
Puccini, La fanciulla del West, Wiener Staatsoper, 5. Oktober 2013 |
|
Ein Volltreffer im Wilden Westen
|
|
Kritik. Giacomo Puccinis "La fanciulla del West" mit Franz Welser-Möst am Pult.
Eigentlich wäre ja eine Neuproduktion einer Oper von Giuseppe Verdi
viel logischer gewesen, so wenige Tage vor dessen 200. Geburtstag. Noch
dazu, da ja einige Werke des Jahresregenten im Repertoire der Wiener
Staatsoper dringend eine Auffrischung notwendig hätten – wie zum Beispiel
„Aida“, die am kommenden Mittwoch gegeben wird.
Das Logische ist aber
stets der Feind des Überraschenden und manchmal auch des Guten, des
Erfreulichen. Darob ist es nur zu begrüßen, dass am Samstag eine selten
gespielte Oper von Giacomo Puccini Premiere im Haus am Ring hatte: „La
fanciulla del West“. Auch für diese Wahl gab es ja zahlreiche gute Gründe.
Das einst für die alte New Yorker Metropolitan Opera komponierte Werk
war im Oktober 1913, also vor 100 Jahren, zum ersten Mal in Wien zu hören,
feiert demnach auch eine Art Jubiläum. Ein Vierteljahrhundert lang wurde es
an der Wiener Staatsoper nicht mehr gespielt – höchste Zeit also für eine
Rückkehr in den Spielplan. Die Protagonisten Nina Stemme und Jonas Kaufmann
sind zur Zeit die denkbar besten für die Rollen der Wirtin Minnie
beziehungsweise des Banditen Ramerrez, der unter dem Namen Dick Johnson in
ihrer Schenke auftaucht. Der Dirigent Franz Welser-Möst ist ein fabelhafter
Gestalter der genialen Partitur, die von zahlreichen Musikern ganz besonders
geschätzt wird. Und Regisseur Marco Arturo Marelli hat sich schon mehrfach
als Topprofi für die szenische Umsetzung schwieriger Stoffe erwiesen.
Ideales Musik-Theater
Was unter diesen Voraussetzungen entstand, ist
die faszinierendste Neuproduktion seit langem an der Wiener Staatsoper.
Vielleicht die beste, die bisher in der Amtszeit von Dominique Meyer
entstand, sogar besser als die Donizetti-Premiere „Anna Bolena“. Weil die
dirigentischen und stimmlichen Qualitäten sich auf wunderbare Weise mit
einer höchst professionellen Regie verbinden. Ein Musterbeispiel von
gelungenem Musik-Theater.
Aber bleiben wir zunächst bei der
Komposition, die von den famosen Musikern des Staatsopernorchesters mit
ihrem Generalmusikdirektor am Pult so sensibel wie höchst dramatisch, so
farbenprächtig wie enorm differenziert, so präzise wie äußerst emotional zum
Leuchten gebracht wurde.
Diese Oper beginnt mit einem kurzen Vorspiel
und dem wichtigsten Leitmotiv – so wuchtig und mitreißend, als hätte Puccini
eine Fanfare für eine große amerikanische Filmfirma wie Warner Bros. oder
MGM geschrieben. Man wartet nur auf den brüllenden Löwen.
Den gibt es
dann in Form einer packenden musikalischen Gestaltung, von den indianischen
Weisen über die reich instrumentierten Massenszenen bis zu den
Pizzicato-Passagen am Kontrabass, die während des entscheidenden
Kartenspiels (Minnie und der Sheriff pokern um das Leben von Dick Johnson)
höchste Thriller-, ja Suspense-Atmosphäre schaffen. Welser-Mösts Liebe zu
dieser Partitur wird in jeder Sequenz hörbar.
Auch auf der Bühne
vermittelt sich die Spannung, weil Marellis Regie sehr detailreich ist und
die Personenführung zumeist ausgezeichnet. Er erliegt nicht der Versuchung,
Wild-West-Film-Schmonzes zu zeigen, sondern verlagert die Handlung zeitlich
vom Höhepunkt des Goldrausches um 1850 in die Gegenwart. Das ist weder
vordergründig, noch in geringstem Maße störend. Die Geschichte spielt,
völlig im Sinn von Puccini, in einem (durch Stacheldrähte) abgeschlossenen
Containerdorf, in dem Dick Johnson für Aufruhr sorgt. Passend ironisch ist
das Finale, bei dem Marelli den Happy-End-Kitsch überhöht, indem er das
Liebespaar Minnie und Dick mit dem Heißluftballon abheben lässt. In den USA
gab es ja immer schon Tendenzen zu finalen Banalisierungen, denen Puccini
hier auch entgegenkam.
Allerdings ist an der Inszenierung nicht alles
perfekt: Dass der Sheriff seinen Revolver am Tisch liegen lässt, während er
Dick in Minnies Stube sucht, ist unglaubwürdig. Ebenso wie die Tatsache,
dass er vor dem wichtigsten Spiel seines Lebens die Karten kaum mischt.
Pumuckl trifft Waltons
Grauenhaft ist das erste Kostüm, in das Nina
Stemme gesteckt wurde: Ein Pumuckl in Latzhosen, der bestenfalls noch zu den
Waltons passen würde, nicht aber zu einer Frau auf der Bühne, die von allen
Männern begehrt wird.
Stemme lässt sich davon nicht irritieren,
sondern singt die anspruchsvolle Partie brillant, dramatisch, zutiefst
berührend, sicher in den Spitzentönen. Jonas Kaufmann ist ebenso eine
Idealbesetzung: Er gibt den Dick Johnson kraftvoll, mit seinem atemberaubend
schönen baritonalen Timbre, viel Schmelz und Italianità. Diese fehlt Tomasz
Konieczny, seinem Gegenspieler Sheriff Jack Rance: Er ist dann am besten,
wenn er forcieren kann. Die kleineren Partien sind vor allem mit Norbert
Ernst (Nick) und Boaz Daniel (Sonora) bestens besetzt.
Es wäre schön,
wenn man diese „Fanciulla“ auch nach dieser Aufführungsserie noch einige
Male zu hören bekäme.
|
|
|
|
|
|