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Der Standard, 15.8.2013 |
Ljubiša Tošic |
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Verdi: Don Carlo, Salzburger Festspiele, 13. August 2013 |
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Arienzauber der Macht- und Liebesnöte
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Premiere von "Don Carlo" im Großen Festspielhaus: Regisseur Peter Stein setzt auf Routine und Statik - Dirigent Antonio Pappano und die gut disponierten Philharmoniker auf schillernde Klangpracht und dramatische Wucht |
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Salzburg - In Alexander Pereiras aktuellem Salzburger Opernbauchladen
stapeln sich seltsamen Figuren: Harrison Birtwistles Ritter Gawain erhebt
sein Haupt als Prüfungen unterworfener Aktionskünstler Josef Beuys. Verdis
Falstaff träumt sich als Altersheimbewohner verblassten Opernglanz herbei,
und Sachs plagen in Die Meistersinger kreative Schlafstörungen. Sie alle
sind also verstrickt in ambitionierte Regieversuche, einem Werk mit
subjektiver Tiefendeutung verborgene Eigenschaften abzuringen.
Im
Sinne der Angebotsbuntheit schien es denn auch nicht unlogisch, Verdis Don
Carlo einer Theaterauffassung zu überantworten, die sich selbstlos an die
Vorlage herangrübelt - quasi in Form historisch informierter Szenepraxis.
Dieser von Altmeister Peter Stein gewählte Zugang sieht sich im Vorteil, so
es darum geht, sängerdienlich zu wirken. Und misst man Steins Arbeit an den
über weite Strecken exquisiten Vokalleistungen, ist ihm ein Meisterstück
geglückt.
Der szenische Preis, den Stein hierfür gerne zu zahlen
bereit ist, wirkt allerdings nicht unbeträchtlich. Schablonenhaft und in
jenen Klischees gefangen, die eben bei einer Minimalinszenierung ihr
abgegriffenes Haupt erheben, wirken die (in historische Kostüme gehüllten)
Figuren: Da werden gefühlvoll Wände gestreichelt, da stützt man sich - durch
Seelenpein beschwert - auf Stühle. Auch betet man viel auf Knien, umarmt
einander und verbeugt sich galant, wie das am Renaissance-Hofe halt so Sitte
ist. Wird es besonders arios, steht man indes an der Rampe, greift sich ans
Herz oder weitet flehend Arme, bereit, sich auch hinzulegen, falls die Last
der Seelenplagen untragbar wird.
Es herrscht bei Don Carlo also jene
Routine, die man im Alltag großer Repertoirehäuser zu ertragen hat und die
hier auch Massenszenen erfasst: Hat man anfangs noch das Gefühl, das Volk,
welches Elisabetta anfleht, den König zu ehelichen und Don Carlo so ins
Unglück zu stürzen, wäre ein wenig geformt worden, verpufft dieser Eindruck
schnell. Beschwerlich große Routine
Selbst beim Autodafé (mit
Trockeneisnebel und Videofeuer wird die Verbrennung umgesetzt) regiert
Schlaffheit. Die Soldaten etwa drängen das Volk mit einer Lethargie zurück,
als wären sie gerade erst aufgeweckt worden. In den spartanisch
ausgestatteten Riesenräumen (Bühnenbild: Ferdinand Wögerbauer) hatte dies
auch etwas unfreiwillig Lustiges.
Es war somit an den Sängern, mit
vokalen Mitteln Intimität und tragische Bewegtheit herbeizuinszenieren:
Jonas Kaufmann hatte im ersten Akt bei absteigenden Piano-Phrasen ein paar
Probleme. In Summe war er jedoch ein immens klangschön und auch im
Dramatischen samtig tönender Don Carlo, der als fragil-sensibler Charakter
präsentiert wurde. Packend auch Thomas Hampson (als Rodrigo): Seine Stimme
versprühte lyrischen Glanz, der (im Sinne einer differenzierten
Textauslegung) bewusst mit expressiver Herbheit gebrochen wird.
Die
kompletteste Performance gelang jedoch Anja Harteros (als Elisabetta):
Leicht strömt ihr Sopran, tragfähig ist ihr Legato. Bei Bedarf kommt aber
auch elegant-wuchtige Kraft zum Vorschein. Harteros - an diesem Abend quasi
die komplette Sängerin, deren Gemahl (Filippo II.) von Matti Salminen
glaubwürdig als Machtlasenträger gestaltet wurde, ohne jedoch verbergen zu
können, dass seine stimmlichen Möglichkeiten den Zenit überschritten haben.
Daneben: Ekaterina Semenchuk begann etwas blass, steigerte sich
allerdings zu hoher Ausdruckskraft; durchgehend profund hingegen Eric
Halfvarson als gebrechlicher Großinquisitor, der sich mit dem König auf
engem Raum (Stein schafft Intimität, indem er die Bühne bisweilen
verkleinert) ein subtiles Verbalduell liefert. Auch drum herum gute
Leistungen (etwa der Wiener Staatsopernchor), die Antonio Pappano, ein
Dirigent mit Theaterinstinkt und -Reflexen, mit den Wiener Philharmonikern
(zumeist ohne Sänger zuzudecken) intensiv beflügelte. Ein Orchester in
Spitzenform wird hier angestachelt zu einem Mix aus nie selbstzweckhaftem
Schönklang wie imposanter Wucht. Zudem stand die Eindringlichkeit in
Verbindung mit klanglicher Ausgewogenheit.
Am Ende kam Karl V.
(Robert Lloyd) aus seiner Gruft und machte dem Stück ein Ende, indem er Don
Carlo mit sich nahm. Auch das hatte etwas von szenischer Versteinerung. Es
mischte sich in den Applaus indes nur ein Buh für die sich den Sängern
selbstverleugnend opfernde Regie.
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