Kleine Zeitung, 14.08.2013
Ernst Naredi-Rainer
 
Verdi: Don Carlo, Salzburger Festspiele, 13. August 2013
 
Erstklassig dirigierte, große Sängeroper
 
Mit zwölf Minuten Schlussapplaus erzielte die Premiere von Giuseppe Verdis "Don Carlo" den bisher längsten Beifall bei den Salzburger Opernpremieren dieses Sommers.
 
Erstmals zeigen die Salzburger Festspiele Giuseppe Verdis "Don Carlo" in dessen fünfaktiger Fassung. Aber wohl nicht deshalb ist die Vorstellungsserie ebenso längst ausverkauft wie die Aufführungen von Verdis "Giovanna d'Arco" (mit Anna Netrebko) und von Vincenzo Bellinis "Norma" (mit Cecilia Bartoli). Den Run auf die bis zu 400 Euro teuren Karten hat wohl in erster Linie die überaus prominente Besetzung ausgelöst, die zum Großteil die hochgeschraubten Erwartungen zu erfüllen vermochte.

Traumpaar

Da wäre zunächst das "Traumpaar" der Münchner Oper, das auch schon in London den spanischen Infanten und dessen Braut, die sich plötzlich in seine Stiefmutter verwandelt, verkörpert hat. Anja Harteros singt die Elisabetta mit enormer stimmlicher Bandbreite vom sanft schwebenden Piano bis zur kraftvollen Attacke. Als Prinzessin voller Wärme gegenüber ihrem leidenden Volk, mit mädchenhaft verliebtem Ton beim Kennenlernen ihres ursprünglichen Bräutigams, zu Marmor versteinert als Königin am spanischen Hof, hellauf empört über den Diebstahl ihrer Schätze und schließlich herzergreifend in der melancholischen Färbung ihrer großen Schlussarie.

Im Bemühen um hohe Pianokultur in perfektem Einklang mit seiner Partnerin, kehrt Jonas Kaufmann mit stürmischer Leidenschaft die charakterliche Labilität des Infanten hervor. Sein viriler Tenor verströmt grenzenlosen Schmerz um die verlorene Liebe und fasziniert mit dunklem Metall, strahlender, sicherer Höhe und geballter Ausdruckskraft.

Baritonales Feuer

Härteste Konkurrenz um den Preis für die beste Vokalleistung macht ihnen Thomas Hampson als Posa. Der Bariton, der mit dieser Rolle schon 2001 in Salzburg reüssiert hat, wertet den "Doppelagenten" mit seiner reichen Erfahrung und dem lodernden Feuer seiner kernigen Stimme zur heimlichen Hauptfigur auf.

Ekaterina Semenchuk bringt für die Eboli die Sinnlichkeit des Mezzo-Timbres sowie die nötige Agilität und Dramatik mit. Während Robert Lloyd (73) den Mönch noch immer mit stimmlicher Autorität ausstatten kann, vermag Matti Salminen (68) als König Philipp selbst mit seiner imposanten Ausstrahlung nicht zu kaschieren, dass er seinen stimmlichen Zenit längst überschritten und in der großen Auseinandersetzung mit dem imposanten Großinquisitor von Eric Halfvarson keine Chance hat.

Prächtig singt der Chor der Wiener Staatsoper und wie so oft in diesem Sommer in Salzburg sind die Nebenrollen erstklassig besetzt: Benjamin Bernheim als Graf Lerma, Maria Celeng als Tebaldo und Sen Guo als Stimme vom Himmel lassen aufhorchen.

Antonio Pappano dirigiert erstmals in Salzburg eine Oper und malt mit den Wiener Philharmonikern äußerst sängerfreundlich und ohne knalliges Klangtheater ein reich schattiertes, elegisches Schicksalsgemälde.

Historische Kostüme

Gemeinsam mit dem Regisseur hat er sich für Verdis letzte "Don Carlo"-Version entschieden, die 1886 in Modena in italienischer Sprache herausgebrachte fünfaktige Fassung aber noch um einige Stellen aus dem französischen Original angereichert, die wichtige Schlaglichter auf die handelnden Figuren werfen.

Im stilisierten Bühnenbild von Ferdinand Wögerbauer, das nur bisweilen die gesamte Portalbreite des Großen Festspielhauses ausnutzt, erzählt Regiealtmeister Peter Stein (75) das Drama in schnörkelloser Klarheit. Wirken auch seine Statistenaufmärsche museal, so ernteten doch sein Mut zu prachtvollen historischen Kostümen (Annamaria Heinreich) und seine zurückhaltende Personenführung fast uneingeschränkte Begeisterung.








 
 
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