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Abendzeitung, 15.08.2013
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Robert Braunmüller |
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Verdi: Don Carlo, Salzburger Festspiele, 13. August 2013 |
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Karajans bestickte Filzpantoffeln
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Giuseppe Verdis Oper „Don Carlo“ hinterlässt bei den Salzburger Festspielen im Großen Festspielhaus einen eher gemischten Eindruck |
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Die Oper beginnt oft mit einem düsteren Choral in den Hörnern im spanischen
Kloster von San Yuste, manchmal auch mit einem Jagdstück im Wald von Schloss
Fontainebleau. Noch korrekter ist eine schmerzgesättigte Streicherfigur, die
das Leid der Franzosen im Krieg mit Spanien ausdrückt und die am Beginn des
vierten Akts vor dem „Sie hat mich nie geliebt“ des Königs Philipp
wiederkehrt.
Der Dirigent Antonio Pappano entschied sich bei den
Salzburger Festspielen für diesen von Giuseppe Verdi gestrichenen und erst
1969 im Aufführungsmaterial der Pariser Oper entdeckten Ur-Anfang von „Don
Carlo“. Erst mit dem anschließenden Chor der Holzfäller versteht der
Zuschauer, warum Elisabeth aus Pflichtgefühl in die friedensstiftende Ehe
mit dem spanischen König Philipp II. einwilligt, statt dem Ruf des Herzens
zu folgen und Don Carlos zu lieben.
Die Wiener Philharmoniker legten
das Leid der Welt in die Seufzer-Vorhalte. Pap pano und das Orchester taten,
was Peter Steins Regie den ganzen Abend unterschlug: Sie interpretierten
Verdis Oper als Tragödie von Verlust und Schmerz, statt einen schönen
Salzburger Sommerabend zu dekorieren. Ehrlicher, emotionaler und
intelligenter als Pappano dirigiert Verdi derzeit keiner. Aber der Brite mit
italienischen Wurzeln musste auch mit großen Gesten spontan zusammenhalten,
was offenkundig nicht gründlich probiert worden war.
Regelmäßige
Besucher der Münchner Oper wissen, wie perfekt Jonas Kaufmann und Anja
Harteros in „Don Carlo“ harmonieren. Sein verschatteter Tenor entspricht
ideal der Melancholie des spanischen Infanten, und für den Enthusiasmus
verfügt er über die nötigen Reserven an Kraft. Und wenn die Eboli im zweiten
Akt von der Königin sagt, eine rätselhafte Schwermut laste auf ihr, ist das
der Harteros anzusehen – und zu hören. Ihre Arie „Tu che le vanità“ im
letzten Akt war der Höhepunkt der Aufführung.
Wer öfter unter
flackrigen Russinnen als Eboli gelitten hat, erlebte bei der kontrolliert
und üppig singenden Ekaterina Semenchuk eine erfreuliche Überraschung. Die
tiefen Männerstimmen enttäuschten. Thomas Hampson rettete sich mit
Kunstfertigkeit über den Abend, aber spätestens bei Posas Abschied wurde ein
Grauschleier über der Stimme unüberhörbar. Matti Salminen sang den Philipp
mit einer gealterten Stimme, statt mit der Stimme einen alten Mann
darzustellen: ein Missverständnis. In der Arie erzählte das Solo-Cello mehr
von seinem verpassten Leben als sein müder Gesang.
Robert Lloyd,
früher selbst ein berühmter Philipp, lieh seine Autorität und die schönen
Reste seiner Stimme dem alten Mönch. Eric Halvarsons Bass war weder schön
noch schwarz, und so blieb auch die Szene mit dem Großinquisitor nur mäßige
Opernroutine.
Bei Verdis „Don Carlo“ spielt die spanische Geschichte
mit. Nichts spricht hier gegen schöne Kostüme. Aber Peter Stein
veranstaltete in den Schlüsselszenen wie dem Auftritt des toten Kaisers Karl
V. nur Mummenschanz. Der Pensionist des psychologischen Theaters wandelte in
bestickten Filzpantoffeln auf den Spuren des seligen Herbert von Karajan,
der allerdings einen besseren Bühnenbildner beschäftigte als Ferdinand
Wögerbauer.
Die Tribüne im Autodafé mochte einem historischen Stich
entliehen sein, aber sie sah aus wie beim Feuerwehrfest. Und in jeder
oberbayerischen Fronleichnamsprozession hantieren die Ministranten
geschickter mit einem Traghimmel als die Statisten in Peter Steins Spanien.
Der Todesschuss traf Posa schon vor dem Knall: noch ein Indiz, dass diese
Aufführung nur lässig hingehauen wurde.
Als Münchner freut man sich
auf die Wiederholung der Konstellation Kaufmann-Harteros in der kommenden
„Forza del destino“. Und Londons Covent Garden ist zu beneiden um diesen
Dirigenten, der die italienisch gesungene Aufführung klugerweise mit der
resignativen Stille der französischen Urfassung beendete.
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