Tages-Anzeiger, 26.9.2012
Liederabend, Zürich, 24.9.2012
 
Wie Jonas Kaufmann leidet, liebt, weint und gähnt
 
 
Völlig mitgenommen ist er am Schluss. So als hätte er all die Geschichten, die er gesungen oder vielmehr erzählt hat, in diesen zwei Stunden durchlebt. Mit dem schläfrig blinzelnden Mädchen gegähnt (Richard Strauss, «Schlechtes Wetter»). Am dunklen Geheimnis gelitten (Duparc, «La vie antérieure»). Die Zigeuner beobachtet, die das Leben verrauchen, verschlafen und vergeigen (Liszt, «Die drei Zigeuner»). Gewacht um Mitternacht (Mahler, «Um Mitternacht»). Der Tenor Jonas Kaufmann, der noch im Mai seinen Auftritt am Zürcher Opernhaus wegen eines Infekts absagen musste, erzählt mit enormer Lebendigkeit, bringt die verschiedensten stimmlichen Nuancen hervor und leidet, liebt, weint und gähnt. Er singt fokussiert, in wunderschönen Linien, nimmt seine Stimme zurück, um sie dann wieder ausbrechen zu lassen. Das Publikum holt er dabei nicht nur mit seiner starken Bühnenpräsenz und seinem - ja, das kann man fast nicht mehr hören, es ist aber halt immer noch so - unverschämt guten Aussehen in perfekt sitzendem Frack ab, sondern auch mit einer gesunden Portion Selbstironie, wenn er als Zugabe singt: «Ach weh mir unglückhaftem Mann, dass ich Geld und Gut nicht habe.» Durch seine sichtbare Freude am Singen und dem intensiven Kontakt mit den Zuschauern stellt er jene Intimität her, welche die Gattung erfordert. Sodass man sich fast bei einem Klavierabend unter Freunden wähnt. Sein Begleiter Helmut Deutsch rückt da ein wenig in den Hintergrund - auch durch sein unaufdringliches, aber doch eindringliches Klavierspiel. Sogar beim Applaus tritt er zurück und überlässt Kaufmann den vordersten Platz. Die Fans danken, zücken ihre Kameras, klatschen und jubeln. Dagegen kann auch ein einsamer Buhrufer, der hartnäckig bis zur letzten Zugabe durchgehalten hat, nicht ankommen.


 






 
 
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