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Wiener Zeitung, 24.10.2012 |
Von Christoph Irrgeher |
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Schubert: Die schöne Müllerin, Wiener Staatsoper, 23. Oktober 2012 |
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Eine "Forelle Müllerin" auf nüchternen Magen
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Auch das zeichnet Weltstars aus: Sympathieträger zu bleiben, selbst wenn man
Krankheitsüberträger ist. Er habe, kokettiert Jonas Kaufmann am
Dienstagabend auf der Bühne, vorab keinen Ansager herausschicken wollen,
damit das Publikum nicht "in Panik verfällt". Nur keine Sorge also, er sei
schon willens, seinen Liederabend an der Staatsoper zu bestreiten - wenn
auch unter grippalen Bedingungen: Seit dem Morgen unfreiwillig auf Nulldiät,
hat der nunmehr speibbleiche Mann ein Wasserglas und Traubenzucker zur
Stärkung hinter dem Flügel "versteckt".
Jeder
Gefühlszentimeter Um der Sache den grausigen Thrill zu nehmen:
Jenes Malheur, das einen siechen Popjüngling jüngst coram publico ereilt
hat, wiederholte sich dann doch nicht. Abstriche waren freilich zu machen:
Nicht immer, wenn der deutsche Feschak in die Kopfstimme wechselte, den
Klang quasi abkoppelte von der (weiterhin) schubstarken Stimmkraft und
freischwebend säuseln ließ, traf er voll ins Schwarze.
Dennoch
frappant, wie oft dieses Wechselspiel hier gelang in der "Schönen Müllerin".
Und: Es vermittelte sich dabei auch jeder Gefühlszentimeter, den Schuberts
Jungspund auf seinem Leidensweg zurücklegt, von den Schmetterlingen im Bauch
bis zum Bachwasser in der Brust. "Mein Schatz hat’s Grün so gern": Kaufmann
singt’s bald zornentbrannt, bald eifersüchtig, bald lebensabgewandt, bald
kalt. Exemplarisch daneben Helmut Deutsch: So schnörkellos flüssig spielt
nicht jeder bekannte Pianist die "Müllerin". Kaufmann legte auf nüchternen
Magen dann gar noch die "Forelle" nach und einen weiteren Schubert: Jubel im
frauenlastigen Publikum.
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