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Kleine Zeitung, 04.04.2012 |
ERNST NAREDI-RAINER |
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Mahler: Das Lied von der Erde, Salzburg, 3. April 2012 |
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Ungeliebte Reformen
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Mit Mahlers "Lied von der Erde" beendeten Simon Rattle und die
Berliner Philharmoniker den ersten Zyklus der heuer zum letzten Mal von
ihnen gestalteten Osterfestspiele.
Bei der Erstellung des
Programms hatte wohl noch niemand daran gedacht, dass es eine ganz besondere
Bedeutung gewinnen könnte. Der erste der beiden Zyklen der Salzburger
Osterfestspiele klang mit dem von Verzweiflung und Todessehnsucht geprägten
"Lied von der Erde" von Gustav Mahler aus, dessen halbstündiger letzter Satz
den Titel "Der Abschied" trägt.
Zum Abschied von den Salzburger
Osterfestspielen, die sie nach 46 Jahren verlassen, um in Baden-Baden ein
neues, größeres Osterfestival zu etablieren, zeigten sich die stürmisch
gefeierten Berliner Philharmoniker noch einmal von ihrer besten Seite.
Detailreichtum
Als Kammerorchester standen sie in Ludwig van
Beethovens zweitem Klavierkonzert dem als Lyriker glänzenden Pianisten
Emanuel Ax aufmerksam zur Seite. In riesiger Besetzung breiteten sie unter
der souveränen Leitung von Simon Rattle das "Lied von der Erde" mit
faszinierendem Detailreichtum und sengender Intensität aus. In
phänomenaler Form brillierte der Tenor Jonas Kaufmann, Anne Sofie von Otter
kaschierte die Verschleißerscheinungen ihres Mezzos durch schlichte
Eindringlichkeit.
Fulminant widerlegten die mit ihren
Superstars Emmanuel Pahud (Flöte) und Albrecht Mayer (Oboe) angetretenen
Berliner Philharmoniker die Meuchelfama, sie hätten unter der Leitung ihres
2002 bestellten Chefdirigenten Simon Rattle an Niveau eingebüßt. Ganz im
Gegenteil: Gerade durch die von Rattle forcierte Erweiterung des Repertoires
haben die Berliner Philharmoniker enorm an klanglicher Flexibilität
gewonnen.
Weniger erfolgreich hatte Rattle als Reformator der
Osterfestspiele agiert. Sein Bemühen, das verengte Opernrepertoire um
hierzulande wenig populäre Meisterwerke wie Benjamin Brittens "Peter Grimes"
oder Claude Debussys "Pelléas et Mélisande" zu erweitern, fand bei den
konservativen Abonnenten eben so wenig Anklang wie sein Versuch, mit Stefan
Herheims "Salome"-Inszenierung das Regietheater Einzug halten zu lassen.
Abgesägter Ast
Mit Richard Wagners "Ring des Nibelungen", für
dessen Aufführung Herbert von Karajan die Osterfestspiele 1967 gegründet
hatte, sägte er den Ast ab, auf dem das Festival saß. Sicherte bis dahin der
Umstand, dass die Berliner Philharmoniker nur in Salzburg als Opernorchester
zu erleben waren, den Osterfestspielen kostbare Exklusivität, so spielten
sie ab 2007 die vier Premieren in Aix-en-Provence und speisten Salzburg mit
Reprisen ab.
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