Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.12.2012
ELEONORE BÜNING
Wagner: Lohengrin, Teatro alla Scala, 7. Dezember 2012
 
Dieser Schwanenritter im Schilf ist ein Softie  
Ausschnitt:
Italienisches Feuer an deutschem Hörnerschall: Zur Inaugurazione der Mailander Scala gab es Wagners "Lohengrin" - inszeniert von Claus Guth, dirigiert von Daniel Barenboim.

.... Etwas anderes ist es mit Lohengrin. Dieser Tenor kultiviert eine Kunst des Legatosingens, die absolut unheldenhaft wirkt und atemraubend speziell. Jonas Kaufmann ist kein Titan und kein Mannsbild. Er ist kein Terminator vom heiligen Gral. Vielmehr ein Träumer, ein junger lindgrüner Werther, ein Softie.

Allein für die Silbe "au" im Wort "Taube" braucht dieser Lohengrin gut acht Sekunden. Ist das die nun längste Taube aller Zeiten? Neinneinnein, sagt Eva Wagner Pasquier dazu, als wir uns später beim Empfang über den Weg laufen, und lacht: Franz Völker war der Lohengrin, der die längste "Taube" sang, das habe jedenfalls ihr Vater immer erzählt. Diese "Taube", die alljährlich vom Himmel gesandt wird, um die Kraft des Grals zu erneuern, ist der erste Höhepunkt der Lohengrinschen Gralserzählung. Wagner hat an dieser Stelle eine Fermate notiert und ein "p", woraus folgt, dass jeder Sänger den Ton so lange dehnen und so aus dem Leisen anschwellen lassen darf, wie es ihm gefällt. Kaufmann zelebriert diesen Ton, als wäre er der Schlüssel zur Erleuchtung. Und er wird es: Das teilt sich sogar den zerstreutesten Schwatztanten im Publikum mit. Plötzlich könnte man eine Stecknadel fallen hören in der Scala. Und alle akustischen und sonstigen Widrigkeiten sind überwunden, übersprungen, dank der Intensität dieses Singens.

.......

Selten war so eine süße, wahre Liebesszene zu erleben auf der Opernbühne wie diese: Lohengrin und Elsa sitzen auf dem Steg im Schilf und singen ihr Duett. Sie planschen mit nackten Füßen im Wasser herum, lachen, streiten, scherzen. Sie möchten sich gern berühren und trauen sich nicht.

Foto: Teatro alla Scala






 
 
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