Neues Volksblatt,16.7.2012
Von Paul Stepanek
 
Konzert, Linz, Klassik am Dom, 14. Juli 2012
 
Wundertenor im Wetterwunder
 
Jonas Kaufmann begeisterte Tausende bei „Klassik am Dom“
 
Der regnerische Tagesverlauf des 14. Juli war dazu angetan, die Hoffnung auf ein ungetrübtes Open-Air-Konzert von Star-Tenor Jonas Kaufmann in der Reihe „Klassik am Dom“ zu minimieren. Doch der überirdische Hausherr des zauberhaft beleuchteten Linzer Mariendoms hatte mit den über 3000 Besuchern des spektakulären Events Mitleid: Es geschah — abgesehen von ein paar Regentropfen — das ersehnte Wetterwunder, das dem „Wundersänger“, dem Orchester und dem Publikum einen zwar spannenden, aber letztlich nur durch Tränen der Rührung und Freude feuchten Abend bescherte.

Er verfügt über faszinierende persönliche Ausstrahlung

Das Programm wich vom Wunschkonzert-Allerlei ab und bot künstlerische Glanzstücke aus der italienischen und französischen Opernwelt. Diese Arien waren dramaturgisch geschickt gereiht und steigerten einander trotz der unterschiedlichen Themen und Stile immer wieder in Kunstfertigkeit und Dramatik. Den Hauptanteil daran trug die Sangeskunst und Bühnenpräsenz Jonas Kaufmanns. Er verfügt über faszinierende persönliche Ausstrahlung und stupende Gesangstechnik; sein Tenor zeigt unglaublich variantenreichen Ausdruck, Stilsicherheit und enorme Wandlungsfähigkeit. Die Stimme zieht alle Register zwischen lyrisch zart und dunkel gefärbt bis zur hell strahlenden, metallisch timbrierten Dramatik.

Begleitet wurde Kaufmann vom aus den Ferien geholten Bruckner Orchester, das sich aber nichts anmerken ließ und unter der Leitung von Jochen Rieder konzentriert und ambitioniert musizierte. Der Dirigent setzte in den zahlreichen, teils schwergewichtigen Orchesterstücken, die auch zur Schonung der Stimme des Solisten dienten, auf vordergründige Tempo- und Dynamik-Effekte. Sie wurden aber durch die — im Open-Air notwendige — elektronische Verstärkung des Öfteren eingeebnet oder überreizt. Jochen Rieder hatte zwar das musikalische Geschehen im Griff, künstlerische Leitfigur des Abends war aber zweifellos der Solist. In seiner Begleitung blühte das Orchesterspiel klanglich und emotional auf.

Wie überhaupt, was auch Kaufmann selbst im Interview mit Moderatorin Barbara Rett betonte, Musik als emotionale Kraft das eigentliche Hauptthema nicht nur dieses Abends war und ist. Dies wurde überwältigend spürbar in der Abschiedsszene „Addio alla madre“ aus „Cavalleria rusticana“, in „Vesti la giubba“ aus „I Pagliacci“ und in der ersten Zugabe „Elucevan le stelle“ aus „Tosca“. In den weiteren Zugaben „Du bist die Welt für mich“ als Hommage an Richard Tauber gedacht, und „Dein ist mein ganzes Herz“ von Franz Lehár begab sich die Kunst in flacheres Gelände, um beim italienischen Lied „Core 'ngrato“ zu landen, das 1911 in Amerika von S. Cardillo für Enrico Caruso komponiert worden war. Aber selbst diese neapolitanische Edelschnulze geriet, gesungen von Jonas Kaufmann, zur funkelnden Arie.






 






 
 
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