Drehpunkt Kultur, 8. Februar 2012
Von Andreas Vogl
Gounod: Faust, Wiener Staatsoper, Februar 2012
Margarete, nicht Faust!
 
 
Die Wiener Staatsoper zeigt derzeit ihre aus dem Jahr 2008 stammende, spannungsarme Inszenierung von Gounods „Faust“ von Nicholas Joel in einer außergewöhnlichen Besetzung. In der Titelrolle: Jonas Kaufmann.

Bereits kurz nach der Uraufführung 1859 in Paris trat das Stück auch seinen Siegeszug an deutschen Opernhäusern an, allerdings unter dem Titel "Margarete". Tatsächlich steht weniger Fausts Suche nach Allmacht, sondern die Geschichte der leidenden Marguerite, ihrer quasi Schändung durch Faust und schlussendlichen Rettung im Mittelpunkt. Stilistisch ist Gounods Musik zwar der französischen lyrischen Oper mit Elementen der Grand Opéra (Chor, Ballett) zuzuordnen. Aufführungsgeschichtlich gibt es allerdings oftmals Querverbindungen zur deutschen romantischen Oper. So verwundert es nicht, dass ein Tenor wie Rudolf Schock oder die Sopranistin Elisabeth Grümmer, beide genauso im Wagner-Fach zu Hause, Gounods "Faust" auf Deutsch sangen.

In Wien hat man nun mit Jonas Kaufmann und Albert Dohmen zwei erstklassige Wagnersänger auf der Bühne, die sich aber bei Gounod dennoch sehr heimisch fühlen. Kaufmann sang den Faust bereits des öfteren, zuletzt an der Met in New York. Wie in jeder Rolle, die er angeht, sucht er Lyrismen, gestaltet musikalische Texturen mit seiner baritonal gefärbten, oft gutturalen Stimme und nutzt dabei, zum Vorteil des Ausdrucks, gehauchte Pianos. Strahlende Höhen beweist er in Ensemblepassagen (Duell-Terzett mit altMephistophélès und Valentin) und auch in seiner glanzvoll dar gebrachen Arie des dritten Akts "Salut! demeure chaste et pure", die zu einem seeligen Zwiegespräch zwischen Tenor und Sologeige (Rainer Küchl) aus dem Orchestergraben erwächst. Albert Dohmen scheint seine Paraderolle, den Wotan im "Ring", nicht abschalten zu können. Gestik und Darstellung erinnern an die Gottheit, sollten aber in der Rolle des Satans durchdachter und zynischer Wirken. So erhält die Rolle einen tollpatschigen Touch. Stimmlich zeigt er dämonische Tiefen und ein breites, deutsch gefärbtes Register, erinnert somit eher an einen Kaspar im "Freischütz".

Die Marguerite der Albanerin Inva Mula lässt keine Wünsche offen. Sie vermag Lyrismen mit ihrer schönen Stimme in erhabene Kantilenen umzusetzen (Arie "Le roi de Thule") und steuert Koloraturen und Spitzentöne perfekt an (Juwelenarie). Das Liebesduett im dritten Akt mit Jonas Kaufmann wird, auch dank der breiten elegischen Tempowahl des Dirigenten Alain Altinoglu, zu einem bezaubernden, fast schwelgerischen Moment. Überhaupt muss man dem Staatsopernorchester unter Altinoglu ein Kompliment aussprechen. Selten hört man die Partitur so transparent (Sologeige, Soloklarinette und -cello), dabei zackig in den tanzrhythmischen Passagen, mit wenig üblichem Kitsch.

Man entschloss sich, obwohl 2008 zur Premiere als (bis auf die Ballettmusik) kompletten "Faust" gepriesen, in der jetzigen Aufführungsserie, die Walpurgisnacht gänzlich zu streichen. Der Szenenverlauf im letzten Drittel verstärkt so die Zentrierung der Figur Margaretes. Einm grund mehr, dass man den "Faust" in dieser Besetzung durchaus gerne als "Margarete" in deutscher Fassung hörte.






 
 
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