Drehpunktkultur, 18. Januar 2012
Von Wolfgang Stern
Verdi: Don Carlo, Bayerische Staatsoper, 15. Januar 2012
Ansehnliches Gerangel um Karten
 
„Suche Karte!“ – So viele wie kaum zuvor haben bei doch sehr frischen Temperaturen eine begehrte Eintrittskarte für Jonas Kaufmanns Don Carlos gesucht. Alle fünf Vorstellungen an der Bayrischen Staatsoper waren sofort ausverkauft.
 
Ende des Vorjahres wurde Jonas Kaufmann, der 1969 in München geborene Tenor, von „Musical America“ zum „Vocalist of the year“ gewählt. Anja Harteros (Jahrgang 1972) wurde die Ehre „Sängerin des Jahres“ von der Zeitschrift „Opernwelt“ für ihr Rollendebüt als Elsa ein Jahr zuvor zugesprochen. Die beiden wird man öfter zusammen hören, sofern man Karten ergattert: etwa bei der Scala-Eröffnung am 7. Dezember im Lohengrin und in der Spielzeit 2013/14 in Manon Lescaut in London.
René Pape ergänzt derzeit in München das Ensemble zum deutschen (!) Dreigestirn in der mehr als elf Jahre alten, eher im Dunkelbereich gehaltenen Inszenierung des „Don Carlos“ von Jürgen Rose.

Die erste von fünf Aufführungen war nicht nur eine Sternstunde von Anja Harteros, die sich zu einer ungeheuren Bühnenpräsenz steigern konnte. Ihre Ausstrahlung als Elisabeth ist makellos, stimmlich gibt es kein Manko. Zusammen mit Kaufmann ein überaus fesches Paar auf der Bühne, das bei Auge und Ohr voll punktet. Jonas Kaufmann bewältigt mit Leichtigkeit alle Hochtöne und spannt Bögen, die nahezu irritieren. Die absolut ansprechende Partie des Don Carlos liegt ihm, das sieht man auch in seinen darstellerischen Fähigkeiten. Die Strahlkraft der Stimme ist zur Zeit nahezu konkurrenzlos. Hoffentlich achtet der Stimmakrobat auf einen ihn nicht überfordernden Terminkalender.

Der Dresdner René Pape startete seine Karriere über den Kreuzchor und die dortige Karl Maria von Weber Musikhochschule seine Karriere startete: Ein König von Spanien, der mit wunderbarer Bassstimme sein Gespaltet-Sein zwischen Pflicht als König, Vaterrolle und Loyalität zur Kirche vermittelt und als Gestalter ohne weiteres neben seine Stimmkollegen Ghiaurov oder Raimondi gestellt werden darf. Boaz Daniel erfüllte am Premierenabend seine Anforderungen als Einspringer für den erkrankten Polen Mariusz Kwiecien in der Rolle des Marquis de Posa, Anna Smirnova hatte gute Momente als Eboli, ohne dabei zu glänzen, Eric Halfvarson überzeugte als gefürchteter Großinquisitor.
Das Orchester der Bayrischen Staatsoper ging unter der Leitung von Asher Fisch bestens vorbereitet in diese Don Carlos-Serie. Das Publikum war nach 4½ Stunden begeistert, es gab viel Beifall, besonders für Harteros und Kaufmann. Auch mit „unitalienischem“ Timbre kann man in Verdi-Opern punkten.



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