Südkurier, 2.8.2012
Elisabeth Schwind
 
Strauss: Ariadne auf Naxos, Salzburger Festspiele, 29. Juli 2012
 
Spiel im Spiel im Spiel
 
 
Mit der Urfassung vonRichard Strauss' „Ariadne auf Naxos“ führt sich Salzburgs Schauspielleiter Sven-Eric Bechtolf als Kulinariker ein
 
Nach der „Zauberflöte“, mit der Alexander Pereira seine Intendanz bei den Salzburger Festspielen paukenschlagartig eröffnen wollte, war nun sein Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf dran. Der führte bei Richard Strauss' und Hugo von Hofmannsthals „Ariadne auf Naxos“ gleich selbst Regie und setzte dafür auf die Urfassung der heute als knackiger Einakter mit Vorspiel bekannten Strauss-Oper. Die Stuttgarter Uraufführung von 1912 hatte aufgrund ihrer Überlänge ein erschöpftes Publikum hinterlassen, so das Strauss/Hofmannsthal das Stück noch einmal gründlich überarbeiteten.

Hundert Jahre später also ein zweiter Versuch, dieses Mal mit einem kleinen, entscheidenden Eingriff Sven-Eric Bechtolfs. Der lässt nun Hofmannsthal (Michael Rotschopf) selbst auftreten. Um die auch im richtigen Leben von ihm verehrte Gräfin und Witwe Ottonie (Regina Fritsch) aufzuheitern, stellt er ihr sein neuestes Projekt vor – die Bearbeitung von Molières „Der Bürger als Edelmann“. Hinter der Fensterfront seines großbürgerlichen Wohnzimmers (Bühne: Rolf Glittenberg) steigt die Schauspieltruppe in barocken Kostümen (Marianne Glittenberg) auf, und das Spiel im Spiel kann losgehen.

Der Witz liegt darin, dass Hofmannsthals Version des „Edelmanns“ (die später zum „Vorspiel“ zusammenschrumpft) ihrerseits in ein Spiel im Spiel mündet, nämlich in die Aufführung der Oper „Ariadne auf Naxos“, die der reiche Möchtegern-Adlige Jourdain (bis zur Überzeichnung großartig polternd: Cornelius Obonya) „bestellt“ hat. So bewegt sich die neue Salzburger Fassung auf gleich drei Ebenen, die immer wieder geschickt miteinander verschränkt werden.

Besonders der „Edelmann“-Teil entfaltet sich festspielwürdig als schönste Unterhaltung. Bechtolf setzt dabei ganz auf die hohe Kunst von Spielwitz und Personenführung, auf exzellente Schauspieler (worunter besonders Peter Matic als Haushofmeister hervorzuheben ist) sowie auf eine prachtvolle Ausstattung. Die teils delikate, teils neoklassisch-barock gehaltene Bühnenmusik von Richard Strauss, garniert mit hübschen Tanzeinlagen (Choreografie: Heinz Spoerli), vollendet den kulinarischen Kunstgenuss und entlässt ein restlos begeistertes Publikum in die Pause.

Danach gilt's (vorwiegend) der Musik. Mit durchwachsenen Ergebnissen. Richard Strauss hat seine „Ariadne“-Partitur für ein kleines 36-köpfiges Orchester geschrieben, dem er allerdings Großes abverlangt. Breitwandige Schwelgereien ebenso wie messerscharfe Farbkonturen. Daniel Harding am Pult der Wiener Philharmoniker hat Probleme, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Vielleicht hatten er und das Orchester bei der (von uns besuchten) zweiten Aufführung auch nur einen schlechten Tag. Jedenfalls knirschte es ganz schön im Getriebe, die Koordination mit der Bühne ließ zu wünschen übrig und teilweise litt die Intonation sowohl im Graben als auch auf der Bühne. Aber auch sonst agiert Harding eher grob als gefühlvoll. Schön hingegen gelingt die Zuspitzung der musikalischen Welten, die hier aufeinanderprallen – die schwelgerische Musik Ariadnes mit ihrem verschwenderischen Parfüm sowie der Komödienton der Buffo-Truppe um Zerbinetta.

Die „Ariadne“-Musik unterscheidet sich in der Urfassung von der heute bekannten Fassung. Auch sie ist etwas länger, und Zerbinettas Partie ist noch schwieriger, noch artistischer, noch höher. Kadenz reiht sich an Kadenz – Elena Mosuc meistert das mit bewundernswerter Souveränität. Emily Magee hinterlässt als Ariadne einen zwiespältigen Eindruck – so als hindere die Komödiantentruppe sie daran, sich in die Rolle fallen zu lassen. Als ihr Retter Bacchus taucht Jonas Kaufmann in einem Leopardenkostüm auf. Er überzeugt vor allem dort, wo er schwärmerisch auftrumpfen kann, weniger in den leisen Passagen.

Mit drei zerlegten Steinways als Bühnenbild für die „wüste Insel“ Naxos sorgte Glittenberg noch einmal für einen Gag. Danach zog sich die Regie aus dem Opernteil höflich zurück, der damit spannungsmäßig mit dem ersten Teil nicht mithalten konnte. Ob der Urfassung der „Ariadne“ fortan wieder ein Bühnenleben vergönnt sein wird, bleibt abzuwarten. Dass sich ein glanzvoller Festspielabend daraus machen lässt, hat Bechtolf bewiesen. Doch wie Hofmannsthal seinen Haushofmeister sagen lässt: „Es sind gerade die Striche, durch welche eine Oper sich empfiehlt.“ Auch die „Ariadne“ hat dadurch an Stringenz gewonnen.
 














 
 
  www.jkaufmann.info back top