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Der Standard, 30.7.2012 |
Ljubiša Tošić |
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Strauss: Ariadne auf Naxos, Salzburger Festspiele, 29. Juli 2012 |
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Ein textübermaltes Geburtstagskind
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Premiere von Strauss' "Ariadne auf Naxos" im Haus für Mozart: Regisseur Sven-Eric Bechtolf würzt die Urfassung des Werkes mit neuen Figuren und reüssiert mit stimmiger Subjektivität |
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Salzburg - Tief ist Sven-Eric Bechtolf in die Geschichte rund um Ariadne auf
Naxos eingetaucht, und ideenbeladen ist er wieder aufgetaucht - mit einer
witzigen Spielerei. In Hofmannsthals (bei der seinerzeit durchgefallenen
Ariadne-Uraufführung) sangesfreie Bearbeitung von Molières Bürger als
Edelmann hat Bechtolf seine Version implantiert, die den Librettisten
Hofmannsthal und seine Angebetete, die depressive Gräfin Ottonie, in
beziehungsanbahnender Konversation zeigt.
Der Dichter umgarnt
die Dame in diesem Vorspiel aufheiternd mit der Schilderung einer seiner
Musiktheaterideen. Von einer geplanten Opernaufführung im Hause eines
reichen Holzkopfs, den es nach aristokratischer Noblesse dürstet, handelt
die Geschichte. Und nach und nach beginnen sich, auf Bechtolfs Geheiß, die
Figuren der Oper im Haus für Mozart zu materialisieren. Die ganze heitere
Truppe um Zerbinetta ist zugegen, die Operndiva, der Tenor und auch der
Haushofmeister (von edler Steifheit: Peter Matic), der leicht angewidert,
aber doch versucht, seinem Herrn, Jourdain geheißen, etwas beizubringen.
Ergreift Hofmannsthal (bei Autor Bechtolf) die Gelegenheit, die Gräfin
auch mit der Erwähnung anderer Figuren seines OEuvres zu frappieren (auch
Elektra kommt vorbei, und Peter Simonischek darf in einem szenischen Kalauer
kurz wieder Jedermann sein), so wird dieser erste Ariadne-Teil vor allem zum
Porträt dieses Herrn Jourdain, den Cornelius Obonya mit slapstickhafter
Virtuosität als einen herrischen Eleven vornehmer Rituale karikiert, den
seine erdige Natur zu einem pflegeschweren Erziehungsfall macht. In seinem
mit riesigen Fenstern durchlüfteten Palais tanzt und hüpft das
Bürgermonsterchen denn auch herum; doch ist Gräfin Ottonie (apart: Regina
Fritsch) - trotz der schönen Effekte - noch nicht bereit, sich auf Erzähler
Hofmannsthal (nobel: Michael Rotschopf) einzulassen. Doch muss der Dichter
nicht verzagen; er hat ja noch die bald folgende Oper von der tragischen
Ariadne im Verführungsköcher.
Neue Figuren für Oper
Man muss von den beiden nicht Abschied nehmen: Bechtolf ist konsequent,
er lässt seine neue Rahmenhandlung auch in die tatsächliche Oper
hineinfließen. Und siehe da: Es beklagt der nun einer Vorstellung
beiwohnende Jourdain das allzu Ernste des von ihm bestellten Sangesstücks.
Und auch Hofmannsthal und Gräfin Ottonie sind zugegen. Es soll ja die Gräfin
(im wahren Leben: Ottonie von Degenfeld-Schonburg) tatsächlich eine
Inspiration für diese Ariadne-Figur gewesen sein. Und so sind Ottonie und
Ariadne bei Bechtolf ident gewandet, wie sie auch während der Vorstellung in
simultanen Bewegungen quasi zwillingshaft geführt werden.
Wie das
Ganze dann mit ein paar selbsterklärenden Worten des schließlich von den
Tönen domestizierten Auftraggebers Jourdain endete, hat man zwar den
Eindruck, einen recht langen Abend hinter sich gebracht zu haben. Dennoch:
Regisseur/ Autor Bechtolf hat eine elegante, in sich stimmig-inspirierte
Variation über die Urfassung dieser Ariadne ersonnen. Da ist im ersten Teil
tatsächlich ein stimmiges Potpourri aus intimem Kammerspiel, greller Komödie
und Tanz (Choreografie: Heinz Spoerli) zugegen, wie es seinerzeit Richard
Strauss, Hofmannsthal und Regisseur Max Reinhardt vorgeschwebt haben mag.
Samt der Bürger als Edelmann-Musik von Strauss, welche Dirigent Daniel
Harding und die Wiener Philharmoniker, durchaus auch szenegerecht kantig
artikuliert, umsetzen.
Auch bezüglich der Oper selbst, die sich rund
um eine sandverzierte Klaviertrümmerlandschaft abspielt, hat es einen
dokumentarisch erhellenden Charme, einmal die längere Urfassung zu erleben.
Wobei die Integration von Figuren des Vorspiels hier nie aufgesetzt wirkt,
vielmehr logisch - im Rahmen von Bechtolfs szenischer Spekulation.
Fürsorglich umgarnt wird da die untröstbare Ariadne (zunächst etwas
intonationsunsicher, dann aber solide: Emily Magee), die auch eine quirlige
Zerbinetta (makellose Spitzentöne: Elena Mosuc) kaum aufheitern kann.
Den seelenaufhellenden Erfolg erntet schließlich Bacchus (bis auf einen
kleinen Ausrutscher grandios in Klang und Intensität: Jonas Kaufmann).
Worauf sich auch Ottonie in die Arme Hofmannsthals bequemt.
Dem guten Ensemble sind die Philharmoniker routinierte Begleiter, wobei
sich unter Daniel Hardings Führung ein wirklich magischer Strauss-Klang
nicht entfalten mag. Dennoch: Zum 100. Geburtstag der Ariadne hat man eine
ambitionierte neue Version gestemmt, der gewisse Einmaligkeit zukommt. Und
wo, wenn nicht in Salzburg, soll man Festspielausbrüche aus dem Opernalltag
wagen können?
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