Kleine Zeitung, 30.7.2012
ERNST NAREDI-RAINER
 
Strauss: Ariadne auf Naxos, Salzburger Festspiele, 29. Juli 2012
 
Die Stunde des Parvenüs als Gesamtkunstwerk
 
 
100 Jahre nach der Uraufführung zeigen die Salzburger Festspiele die Urfassung der "Ariadne auf Naxos".
 
SALZBURG. Festspiele sollten sich deutlich vom Repertoiretheater unterscheiden, meint Alexander Pereira. Salzburgs neuer Intendant und sein Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf haben diesen Grundgedanken mit der Neuproduktion der "Ariadne auf Naxos" exemplarisch umgesetzt.

Ein Gesamtkunstwerk, das Oper, Schauspiel und Ballett vereint, war Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss vorgeschwebt, als sie ihre "Ariadne auf Naxos" schufen. Die Stuttgarter Uraufführung bescherte ihnen allerdings 1912 ein Desaster, das sie veranlasste, das Werk völlig umzuarbeiten und 1916 in der seither gebräuchlichen Form vorzustellen.

Die Salzburger Festspiele aber nehmen sich 100 Jahre nach der Uraufführung des Originals an. Schauspieldirektor Sven-Eric Bechtolf hat die Urfassung geschickt bearbeitet. Er verknüpft Hofmannsthals Version von Molières "Bürger als Edelmann" mit der Biografie des Festspielmitbegründers, bringt auch den Dichter und seine Angebetete Ottonie auf die Bühne. Er setzt sie nicht nur als Protagonisten des Vorspiels ein, sondern beschäftigt sie auch als Parallelfiguren zu Bacchus und Ariadne in der eigentlichen Oper und verknüpft damit die beiden Teile zu einem Ganzen.

Als Regisseur spitzt Bechtolf den satirischen Geist des Vorspiels höchst amüsant zu. In der Rolle des Jourdain brilliert Cornelius Obonya als hinreißender, diszipliniert komischer Parvenü. Peter Mati´c, in Salzburg seit 1979 der Haushofmeister vom Dienst, genießt die Ausweitung seiner Rolle. Wandlungsfähig in mehrere Rollen schlüpfend umgarnt Michael Rotschopf als Hofmannsthal seine von Regina Fritsch gespielte Ottonie. In der Oper selbst bleibt die Regie ziemlich unauffällig.

Fulminant gelingt Jonas Kaufmann das Rollendebüt als Bacchus: Mit sattem, die heiklen Höhen sicher meisterndem kraftvollem Tenor verströmt er vokales Testosteron. Emily Magee, deren dunkles Timbre perfekt zur Stimmfarbe ihres Partners passt, gelingt eine ebenso eindringliche wie wortdeutliche Gestaltung der Ariadne. Die aberwitzigen Anforderungen an die Zerbinetta, deren große Arie in der Urfassung um einen Halbton höher liegt und erheblich länger dauert, meistert Elena Mosuc mit atemberaubender Bravour und Sicherheit.

Unter der Leitung von Daniel Harding warten die Wiener Philharmoniker zunächst mit duftiger kammermusikalischer Raffinesse auf, um dann bei der Schlussapotheose rauschhaften Klangzauber zu entfesseln.






 






 
 
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