Opernglas, Juni 2011
F.Plotkin
Wagner: Die Walküre, Metropolitan Opera, 22. April 2011
Die Walküre 22. April - Metropolitan Opera
 
 
Bereits als Robert Lepages Neuinszenierung von Wagners »Ring«-Zyklus am 27. September 2010 mit dem »Rheingold« startete, nahm ein gewaltiges, von Carl Fillion entworfenes und als „The Machine" bekannt gewordenes Ausstattungsteil breiten Raum in den Kommentaren ein. Es besteht im Grunde lediglich aus 24 großen metallenen Planken, die sich zusammen bewegen und unabhängig Bilder formen, als Oberfläche für Lichtprojektionen dienen und von Doubles beklettert werden, die die von den Solisten gesungenen Figuren darstellen. Es kann auch zu einer riesigen Wand zusammengefahren werden, vor der die Sänger dann stehen und wenig Raum zum Spielen haben. Die 41 Tonnen schwere Maschine war von Beginn an eher ein Hauptdarsteller als ein Dekorationsteil. Viele Zuschauer hatten regelmäßig Sorge, jemand könne durch die aufwendige Konstruktion zu Schaden kommen, wurde diese Furcht doch in der Zwischenzeit noch dadurch verstärkt, dass bei den Vorbereitungen zu Julie Taymors 65 Millionen US-Dollar teurer Broadway-Produktion von »Spiderman« (Musik und Texte von Bono und The Edge von der Gruppe U2) bereits mehrere Darsteller bei extravaganten Einsätzen sehr schwer verletzt worden waren.

Es ist schon schwer genug, einen »Ring« zu singen und zu spielen, doch hier werden sie auch noch einer speziellen Technik untergeordnet. Deborah Voigt ist ein Liebling des New Yorker Publikums, das ihr jeden Erfolg wünscht. Sie hatte stimmlich und dramatisch eine Menge zu bieten, aber auch einige schwierige Momente. Ihre Brünnhilde wird sich musikalisch und darstellerisch sicher noch steigern. Bryn Terfel wirkte viel freier als im »Rheingold«, sang und spielte mit großem Biss und Dramatik. Obwohl sein Gesang wunderschön war, machte er klar, dass Dramatik, wenn erforderlich, vor vokale Pracht geht.

Eva-Maria Westbroek, die ihr Met-Debüt gab, war im ersten Akt indisponiert, hatte aber wohl erklärt, weitermachen zu wollen. General Manager Peter Gelb informierte darüber mit einer Ansage vor dem zweiten Akt. Als Sieglinde dann auftrat, war es aber eindeutig nicht Westbroek, sondern Margaret Jane Wray, eine selten eingesetzte amerikanische Sopranistin, die ihre Aufgabe gut bewältigte. Jonas Kaufmann gab einen stattlichen und aufregenden Siegmund, der sehr schön und mit großer Leidenschaft sang. Hans-Peter König war ein eher königlicher Hunding als die fast primitive Figur, als die dieser oft gezeichnet wird. Stephanie Blythe war stimmlich und darstellerisch in großartiger Form, sicherlich die beste Fricka an der Met seit Christa Ludwig vor zwanzig Jahren.

Besonders James Levine und sein Orchester waren es, die für die Farbigkeit und die Imaginationskraft der Musik wieder ganzen Aufführung sorgten. Aus orchestraler Sicht zumindest stand also an diesem Abend alles zum Allerbesten.

Szenisch sah das leider anders aus. Als sich der Vorhang zur »Walküre« hob, um „The Machine" zu enthüllen, zog diese zwangsläufig mehr Aufmerksamkeit auf sich als das aufwühlende Orchesterspiel. Die Planken bewegten sich nach oben und wurden zu den Bäumen des Waldes, durch den Siegmund rennt-ein ungewöhnliches, aber sehr interessantes Bild. In Hundings Hütte jedoch sind die Sängerweit vom Publikum entfernt und nur noch von den Knien an aufwärts zu sehen. Darüber hinaus gab es seitens der Inszenierung wenig visuell Anregendes und stattdessen viele Enttäuschungen, sodass es ein langer und ermüdender Abend wurde. Deborah Voigt, die erstmals in ihrer Karriere die Brünnhilde sang, verlor bei ihrem ersten Auftritt auf der Bühne das Gleichgewicht, stürzte, musste darüber noch lachen, bevor sie dann selbstsicher ihre Hojotoho-Rufe ausführte. Fricka sitzt in einem von zwei (Plastik-) Widdern gezogenen Triumphwagen, ganz wie von Wagner verlangt - eine der wenigen bezaubernden Szenen. Doch das Gefährt schlingerte so stark, dass man fürchten musste, die schwergewichtige Stephanie Blythe könne jeden Moment aus den Höhen herunterstürzen.

Der Walkürenritt zu Beginn des dritten Aktes immerhin war ein aufregender Moment, denn die acht Sängerinnen saßen oben, jede auf einer der Planken, die sich auf und ab bewegten wie bei einer Kavalkade von Pferden. Alle Sängerinnen glitten nacheinander herunter und landeten auf ihren Füßen. Die letzte Szene der Oper wiederum, wenn Wotan Brünnhildes Augen geküsst hat, um sie zärtlich zum Schlaf zu legen, hat Lepage so angelegt, dass Wotan die schlummernde Brünnhilde zunächst von der Bühne schleppen muss und kurz darauf ein Brünnhilden-Double an der Spitze der „Machine" hängt, umgeben von einem kaum wahrnehmbaren Feuer, das auf einem einfachen Lichteffekt beruht. Doch wer will wirklich in diesem Moment auf ein Double schauen?


 






 
 
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