Die Welt, 27. April 2011
Manuel Brug
Wagner: Die Walküre, Metropolitan Opera, 22. April 2011
Siegmund und seine Sieglinden
 
Ostern in der Oper: Jonas Kaufmann überstrahlt in New York die anderen Stars
 
Vor allem die weltweiten Kinoübertragungen haben die Reputation der Metropolitan Opera weiter gesteigert

Immerhin, zwei eindruckvolle Bilder gab es am Anfang und Ende in dieser New Yorker "Walküren"-Premiere: Ein virtueller Schneesturm, der sich in eine Baumstammwand in 3D verwandelt, zwischen der Siegmund vor Hundings Horden flüchtet. Und der per Videofeuer brennende Walkürenfelsen als flackernder Berggipfel, auf dem ein Brünnhilden-Double kopfüber herabgelassen wird, um in solch ungesunder Haltung nun auszuharren, bis eine Oper später Siegfried mannhaft geworden ist. Kein Wunder, dass das böse endet wird.

8, 16, oder 26 Millionen Dollar, je nachdem welcher inoffiziellen Quelle man Glauben schenken mag, soll das gekostet haben. Dafür blieben aber auch eine nach dem Inzest-Akt Eins nicht mehr singfähige Sieglinde (Eva-Maria Westbroek in ihrem missglückten Met-Debüt, dann ordentlich ersetzt von Margaret Jane Wray) und eine noch vor dem ersten schrillen Hojotoho-Jodler mit Speer, Schild und Panzer auf dem Hintern gefallene Brünnhilde (Deborah Voigt, die dann immer besser wurde) auf der Premierenstrecke. Auch die schwergewichtig singende Fricka der Stephanie Blythe mag man mit europäischen Opernaugen nicht wirklich ernst nehmen - wie die "Arielle"-Meerhexe Ursula war sie als Mezzomusiktruhe auf einem Treppenliftthron angeschnallt.

Der kanadische Theaterwundermann Robert Lepage, dem visuell großartige Musiktheaterarbeiten zu verdanken sind, scheint hier von Aufwand und Anforderung wie gelähmt. High Tech für die so heiß ersehnten jungen Operngeher und traditionelles Erzählen für die straff gelifteten, blaugespülten Geldgeberinnen (bis zu 30 Millionen Dollar Einzelspenden vermeldet die personell gigantisch besetzte Sponsoringabteilung des Hauses) wurden ihm abverlangt. Wirklich zufrieden ist zur "Ring"-Halbzeit freilich keiner. Zu wenig wird hier zwischen den Figuren deutlich, nicht Neues erzählt oder wenigstens visualisiert: Sie sind alle nur Spielfiguren zwischen dem gigantischen Aufwand eines auf und ab fahrenden, 45 Tonnen schweren, nur "The Maschine" genannten Riesenrotors mit 24 drehbaren Planken. Der kann sich zur Videowand fügen, zur Treppe verdrehen, eine Pupille mit Projektionen ausklappen, oder als Schaukelpferd und Rutsche im Walkürenritt dienen. Meist aber steht er still in dem eigentlich intimen, als Folge von erst erotisch ausufernden, dann ehelich sich ereifernden, schließlich traurigst Abschied nehmenden Duetten angelegten Fünfeinhalbstünder.

Viel Zeit also, sich auf die Musik zu konzentrieren. Und die ist, dem Ruf und Anspruch des Hauses mit dem höchsten Etat (über 200 Millionen Dollar) entsprechend, vom Feinsten. Ein körperlich schwacher, beim Applaus gestützter James Levine hatte einen starken Abend. Mit dem traumschön folgenden Met-Orchester lässt er dramatische Wahrheit aus Wohlklang entstehen, mit weich-wehmütig tönenden Holzbläsern und abgedunkeltem Blech. Er beginnt den ersten Akt langsam und beschleunigt doch unmerklich den Liebesrausch.
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Zwei weitere, souveräne Sieger gibt es: Bryn Terfels kantig knarrenden Wotan, der vor seiner geliebten Tochter Brünnhilde vokal ganz zahm wird, herrlich textklar und als Figur großartig gebrochen im Abschied von seiner Wunschmaid. Und den anderen Rollendebütanten Jonas Kaufmann. Während Deborah Voigt eine ihr stimmlich nicht mehr wirklich passende Rolle professionell auskleidet und sicher noch wachsen wird, ist dieser Siegmund eine Erfüllung, ohne die Verdunklungsmanierismen, die sich Kaufmann inzwischen gern leistet.

Die baritonale Lage der Partie kommt seinem Stimmsitz wunderbar entgegen, dieser Wagner-Held ist ein rettungsloser, melancholieverschatteter vom ersten Takt an. Kaufmann gestaltet die "Wälse"-Rufe naturhaft aus der Gesangslinie heraus, braucht weder hier noch im B am Ende kraftmeiernde Machoallüre, ist als Darsteller packend zurückgenommen, dabei ganz frei in seiner exemplarischen Gestaltung. Da war es auch egal, dass bei Robert Lepage der Lenz nur als müdgrünes Glimmern in den Saal lacht.


 






 
 
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