Oberpfalznet, 2.8.2011
Von Michaela Schabel
Konzert, München, Königsplatz, 29. Juli 2011
Die Klasse verliert sich im Tonbrei
 
 
Enttäuschendes "Gipfeltreffen": Opernstars Netrebko, Schrott und Kaufmann auf dem Münchner Königsplatz

Oper, das ist inzwischen auch in Deutschland ein Massenspektakel, von Auto-Edelmarken gesponsert, mit Cabrio-Feeling und Lounge-Musik im Vorfeld. 15 000 Besucher kamen am Freitagabend zur Freiluft-Klassik auf den Münchner Königsplatz. Als Fortsetzung des erfolgreichen Marketings der "Drei Tenöre" Domingo, Pavarotti und Carreras in den 90er Jahren versucht sich die Deutsche Entertainment AG nun an einem ähnlichen Format mit dem "Gipfeltreffen der Stars" in München, Berlin und Wien - mit Anna Netrebko, Erwin Schrott und Jonas Kaufmann.

Opernliebhaber wurden in München enttäuscht, in der Masse verlor sich die Klasse. Die Klangkaskaden aus den Mega-Lautsprechern wirkten schrill, verwischten in den Duetten und Terzetten zum Tonbrei. Flankiert von zwei gigantischen Videowänden blieb das authentische Erlebnis im Hintergrund, fokussiert war das Auge auf die Großbildschirme.

Erotische Wärme erzeugt

Allein Anna Netrebko verfügte über das nötige stimmliche Charisma, das die technischen Bedingtheiten vergessen ließ: Ihr Timbre ist nach wie vor einmalig, sinnlich betörend in der Leichtigkeit und Klangdifferenzierung der Höhen, mit erotischer Wärme in den tieferen Lagen. Mit betörender Koloratursicherheit entrückte sie im Duett von Manon und Des Grieux (aus Massenets Oper "Manon") in schwindelnde Höhen-Euphorie.

Erwin Schrott dagegen begeisterte im Laufe des Abends zunehmend nicht nur durch seine schalkhafte Mimik und sein medienbewusstes Erscheinen, sondern auch durch seine ausgezeichnete sängerische Form. Schrott bestach durch glänzend timbrierte Tiefe und subtile, unangestrengte Nuancierung. In der Arie des Banco aus Verdis "Macbeth", 2. Akt, kam sein Bassbariton bestens zur Wirkung.

Die Prager Philharmonie gab unter dem Dirigat von Marco Armiliato den Sängern viel Raum, stützte, ohne sich in den Vordergrund zu spielen, und zeigte in den instrumentalen Stücken ein Maximum an temperamentvoller Energie. Armiliato hielt die Bläser-phalanx im Zaum, unterstrich die Klangfarben der Klarinetten und Violoncellos. Selbst die Gassenhauer spanischer Musikliteratur, Giménez' "La boda de Luis Alonso" und Bizets "Aragonaise" aus "Carmen", wusste Armiliato mit präzis-subtilen Wechseln zwischen Forte und Piano, weich fließender Melodik und klaren Pausenakzenten zum Hörerlebnis zu machen.

Schnulzig und verflacht

Zusammen mit dem Philharmonischen Chor München unter der Leitung von Andreas Herrmann verschmolzen Chor und Orchester zu einer harmonischen Präsentation, wobei Puccinis "Summchor", herausgerissen aus dem atmosphärischen Kontext der "Madame Butterfly", etwas verloren wirkte.

Die Programmkonzeption war insgesamt alles andere als optimal. Der zweite Teil mit dem Schwerpunkt Verdi verflachte in operettenhafte Glückseligkeit. Einfach nur noch schnulzig war Schrotts Romanzeninterpretation aus Sorozábals Zarzuela "La tabernera del puerto", noch schlimmer kam wegen der stimmlichen Indisposition Kaufmanns anbiedernde Münchenhommage "Du bist die Welt für mich" aus Taubers "Der singende Traum".

Auf die rhythmisch ziemlich missglückte Gershwin-Interpretation von "Porgy and Bess" hätten Netrebko und Schrott besser verzichten sollen. Mit Gounods "Faust"-Finale "Alerte, alerte, ou vous êtes perdus!" rutschte das "Gipfeltreffen der Stars" als schrilles Klangdesaster endgültig in die absolute Schräglage.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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