Tagesspiegel, 9. Oktober 2011
Christian Schmidt
Liszt-Lieder, Berlin, Schillertheater, 7. Oktober 2011
 
Liszt, intim: Barenboim-Zyklus im Schiller Theater
 
 

Seit Jahren macht der Staatsopernchefmusikus Daniel Barenboim auch die Staatsopernkammermusik selbst. Zur Eröffnung seines „Barenboim-Zyklus“ im Schiller Theater hat er sich mit Dorothea Röschmann und Jonas Kaufmann gleich die erste Garde der international erfolgreichen Sängerschar auf die Interimsbühne geladen. Zum 200. gibt es ausschließlich Liszt, und der wirkt auf dem hochgefahrenen Orchestergraben erstaunlich intim. Man hat den Eindruck, Barenboim habe ins Wohnzimmer gebeten: rundherum Stühle, rundherum aufmerksame Neugierde, das Haus ist ausverkauft.

Kein Wunder, Rösch- und Kaufmann sind unstreitig: Sie verstehen Handwerk und Kunst. Auch wenn die Sopranistin ihre zuweilen allzu opernhafte Dramatik dominieren lässt. Kaufmann ist für den erkrankten Thomas Quasthoff eingesprungen und gestaltet die höchst unterschiedlichen Partien bravourös zwischen Parlando und Schmachtschmelz – das ist beim Kunstlied gerade für sogenannte Stars eine echte Herausforderung. Trotzdem bleibt die Heldenrolle Franz Liszt selbst vorbehalten, dessen unbekanntes Liedgut sowohl dramaturgisch als auch kompositorisch erlesen ist. Mit welcher Originalität gern unterschätzter Komponist an die Textvertonung ging!

Verdiente Bravi auch für den Pianisten Barenboim: Mag er vielleicht nicht als der größte Techniker gelten, ist er doch ein begnadeter Musikarchäologe, der mit bescheidener Geste Großes auslesen kann. Und daraus ersteht ja die Kunst: dass einer die Musik versteht und verständlich zu machen weiß.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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