Der Neue Merker, 16.8.2011
von Ursula Wiegand
Konzert, Berlin, Waldbühne, 16. August 2011
Berlin: „Gipfeltreffen der Stars in der Waldbühne“
 
 
Die Erwartungen sind hoch, die Ticketpreise ebenfalls. Festliche Kleidung wird kaum getragen. Bei Freiluftveranstaltungen in diesem launischen August ist Warmes die richtige Wahl. Immerhin bleibt es an diesem Abend in der Waldbühne trocken, und es wird auch nicht kalt. Ein glücklicher Jonas Kaufmann will Petrus dafür ein Bier bestellen.

Das festliche Outfit bleibt also Anna Netrebko vorbehalten, die zuerst in schulterfreier goldgelber, nach der Pause in dunkelgrüner Robe auftritt. Soviel Show muss sein. Wir sind ja nicht bei einer regulären Vorstellung im Opernhaus.
Dieser Abend ist als hochkarätige Mixtur gemeint, und so nimmt das Publikum das Gebotene, darunter auch weniger Bekanntes, wahr. Dass bei der Tonübertragung in dieser Riesenarena Feinheiten verloren gehen und manches etwas anders daherkommt als im geschlossenen Saal, liegt hier wirklich in der Natur der Sache. Doch insgesamt ist das Hörerlebnis an meinem Platz (unten in A 3) durchaus zufriedenstellend.

Einen schwungvollen Auftakt mit der Ouvertüre zu Smetanas „Die verkaufte Braut“ bietet die Prager Philharmonie unter Marco Armiliato, der auch die Sänger in den nächsten Stunden sorgsam begleitet. Der neue Kammerchor Potsdam singt und summt tonschön, hat aber wenig zu tun.

Den Anfang macht Erwin Schrott mit der Registerarie des Leporello aus Don Giovanni, seiner Paradenummer. Mit schönen Basstönen, ironisch-frechen Facetten und entsprechendem Minenspiel könnte man meinen, er selbst sei der Verführer so vieler Frauen gewesen. Ein gelungener Einstand.

Und dann kommt Anna. Mit ihrem inzwischen tiefer grundierten Sopran bringt sie Butterflys Hoffnungsarie „Un bel dì vedremo“ voller Leidenschaft und mit glanzvollen Spitzentönen. Hier steht eine Powerfrau, die der Rückkehr ihres Geliebten gewiss ist.

Jonas Kaufmann startet gut gelaunt mit der Romanze „Cielo e mar“ aus La Gioconda, muss aber in dieser Anfangsphase die hohen Töne sehr vorsichtig ansetzen. Bravos bekommt der Publikumsliebling dennoch. Die verdient er sich später in der Tat, wenn er inständig und voller Todesahnung mit „Mamma, quel vino è generoso“ (aus Cavalleria rusticana) den Segen der Mutter vor dem Duell erfleht. Er driftet auch nicht zu sehr ins Kitschige ab, wenn er später mit Aplomb Richard Taubers „Du bist die Welt für mich“ in den Abendhimmel schmettert.

Intensiv wird die Begegnung von Anna und Jonas in „Toi!Vous! – Oui, c’est moi“ aus Manon. Wie er als verlassener Des Grieux erst die Versöhnung verweigert, sie ihn dann aber mit ihren weiblichen Waffen zurückgewinnt – das ist nicht nur großartig anzuhören, sondern überzeugt, soweit in diesem Umfeld möglich, auch schauspielerisch.

Ebenfalls überzeugend gestaltet Frau Netrebko die Szene der Leonora im 4. Akt von Il trovatore (Der Troubadour), das „D’amor sull’ ali rosee“. Wiegender Wohlklang, schöne Piani, aber auch einige hervorstechende Spitzentöne, die womöglich der Tontechnik geschuldet sind. Kaufmann als eingekerkerter Manrico singt – von meinem Platz aus unsichtbar – aus dem Off.

Zuvor hat Schrott in der Arie des Banco aus Macbeth - „Come dal ciel precipita“ – neben satten Tiefen auch eine warme Mittellage hören lassen. Er und Anna, die beiden Lebenspartner, bieten zudem ein verschmustes Duett aus Porgy and Bess: „Bess, you is my woman now“, sie verführerisch strahlend, er mit zurückhaltender Gewissheit.
Noch mehr bei sich scheint Erwin Schrott bei den Bandoneon-Stücken von Astor Piazzolla zu sein, den gefühlvollen Klängen seiner Heimat Uruguay (Bandoneon: Klemen Leben). Regelrechte Begeisterung löst er schließlich als Zugabe mit seinem temperamentsgeladenen „Rojo Tango“ aus. Menschen, besonders die weiblichen, mögen manchmal Machos.

Zu dritt treten die drei Stars zweimal auf. Zunächst mit „Qual voluttà“ aus Verdis selten gespielter Oper I Lombardi alla prima crociata (Die Lombarden auf dem ersten Kreuzzug) und am Ende des Programms mit dem Fluchtterzett „Alerte, alerte, ou vous êtes perdus!“ aus dem 5. Akt von Gounods Faust. Dabei müssen alle Drei intensiv aufs Notenblatt schauen. Auch müssen sich die beiden Herren anstrengen, Annas beinahe explodierendem Sopran Paroli zu bieten.

Jonas Kaufmann gelingt das besser als Erwin Schrott, der sich hinterher scherzhaft die Ohren zuhält. Kaufmann setzt denn auch mit einem ganz überzeugt klingenden „Freunde, das Leben ist lebenswert!“ um 23.00 Uhr den intensiv umjubelten Schlusspunkt. Stehende Ovationen belohnen sie alle.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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