Abendzeitung, 29.06.2010
Volker Boser
Puccini: Tosca, Bayerische Staatsoper, München, 28. Juni 2010
Leidenschaft im Leerlauf
 
München: Giacomo Puccinis „Tosca“ mit Jonas Kaufmann und Karita Mattila als eher durchwachsene Festspieleröffnung
Was im vergangenen Herbst in New York beinahe einen Skandal auslöste, darüber können die aufgeklärten, vielleicht ja auch abgebrühten Münchner Opernenthusiasten nur müde lächeln. Die Inszenierung ist unspektakulär, konventionell, manchmal geradezu statisch. Sie lässt sich bequem verpflanzen, von New York nach München und an die Scala. Nichts an ihr ist wirklich interessant. Wer sich vergebens um Karten bemühte, kann allenfalls bedauern, dass er die eine oder andere gute Gesangsleistung verpasst hat. Eine wohl zu erwartende DVD wird aber auch diese Wünsche in absehbarer Zeit erfüllen.

Zumindest musikalisch waren die Erwartungen an die Opernfestspiel-Premiere von Puccinis „Tosca“ hoch. Publikumsliebling Jonas Kaufmann ließ denn auch kaum etwas anbrennen. Geradezu grandios gelangen die „Vittoria“-Rufe im zweiten Akt. Und auch die Arie „E lucevan le stelle“ gestaltete er mit wunderbarer Melancholie. Anfangs verließ er sich auf seine heldische Kraft. Wenn er die Stimme zurücknimmt, klingt sie ein wenig kehlig, was nur geringfügig irritiert. Das baritonal gefärbte Timbre lullt ein. Trotz bedauernswertem Bühnenschicksal war Cavaradossi der beste Sänger des Abends.

 Auch deshalb, weil Karita Mattila in der Titelpartie allenfalls darstellerisch zu jener Bühnenpräsenz fand, die dringend erforderlich gewesen wäre. Dass sie ihren Sopran bruchlos in höchste Höhen zu führen vermag, konnte nicht darüber hinweg täuschen, dass die Stimme nicht (mehr?) über die nötige Dramatik verfügt, vor allem aber: dass sich immer Unsauberkeiten in der Intonation einschlichen. Eine kleine Enttäuschung bereitete auch der viel gepriesene Juha Uusitalo. Sein Scarpia zeigte im Spiel zwar alle Klischees, die man sich von einem machtgeilen Fiesling erwartete, blieb aber stimmlich eindimensional und ohne bedrohliche Zwischentöne.

Der Bühnenbildner kennt kein Pardon

Fabio Luisi und das glänzend aufgelegte Staatsorchester begannen furios, konnten aber die im ersten Akt aufgebaute Spannung nicht halten. Das lag vor allem daran, dass der Dirigent die Musik immer wieder zerdehnte. Im letzten Akt dominierten Larmoyanz und Sentimentalität, trotz wunderbarer solistischer Einzelleistungen im Orchester (Klarinette!). Immer wieder gab es Leerläufe, auch in den kleinen Zwischenspielen, die sich wie Farbtupfer in das dramaturgische Geschehen einfügen. So plastisch Luisi auch musizieren ließ – ein wenig mehr Temperament hätte allen Beteiligten gut getan.

Bleibt die Regie. Luc Bondy erzählt die Liebesgeschichte zwischen der eifersüchtig zickigen, alternden Diva und dem attraktiven Maler plausibel, versucht museale Gesten zu vermeiden und bewegt sich dabei nur gelegentlich allzu floskelhaft an der Oberfläche. Die überzeugendste Szene gelingt zum Ende des zweiten Aktes: Für Momente überlegt Tosca, ob sie sich, nach dem sie Scarpia erstochen hat, umbringen soll – zieht es dann aber vor, sich auf eine Couch zu legen, um ihren Puls wieder herunter zu bringen. Drei Minuten, in denen Luc Bondy eindrucksvoll die Krallen zeigte.

Worüber also ärgerten sich die New Yorker? Es muss das Bühnenbild gewesen sein. Richard Peduzzi kannte kein Pardon. Backsteinkirche, ein trostloser Büroraum und am Ende ein dunkler Innenhof, der die Plattform der Engelsburg immerhin erahnen lässt – kälter, abweisender geht es kaum. Aber so bekam die Musik jede Chance, ihren Zauber zu entfalten.
 






 
 
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