Frankfurter Neue Presse 14.10.2010
Michael Dellith
Schubert: "Die schöne Müllerin, Frankfurt, Alte Oper, 12. Oktober 2010
Liebespein bis in den Tod
 
Frankfurt. Trotz angeschlagener Gesundheit gab der Münchner Startenor einen gefeierten Liederabend in der Alten Oper: mit Schuberts «Schöner Müllerin».

Die Grippe kennt keine Gnade. Auch vor Sängern macht sie nicht Halt. Jüngstes Opfer ist der Tenor Jonas Kaufmann. Ein Konzert in der Berliner Staatsoper und einen Liederabend in Barcelona musste er wegen fiebriger Erkältung absagen, seinen Frankfurter Auftritt bei «Pro Arte» in der Alten Oper aber nahm er wahr – und hielt tapfer durch. Die Fans hatten bis zuletzt gebangt, ob der umjubelte Lohengrin der diesjährigen Bayreuther Festspiele denn auch wirklich kommen würde.

Nun ist es für einen Sänger ohnehin schon ein Wagnis, in einem riesigen Auditorium wie dem Großen Saal der Frankfurter Alten Oper einen Liederabend zu geben, allein mit seiner Stimme auf sich gestellt – als einzige Stütze einen Flügel samt begleitendem Pianisten. Und dann auch noch mit einem ebenso bekannten wie intimen Liederzyklus wie Schuberts «Schöne Müllerin»! Aber Kaufmann meisterte seine Sache – nicht zuletzt wegen seiner Professionalität. Und schonte sich nicht. Schließlich kam ihm zugute, dass er die «Schöne Müllerin» erst vor einem Jahr auf CD aufgenommen hat.

Attraktives Timbre

Naturgemäß wollte die Stimme wegen der Indisposition nicht so leicht ansprechen wie sonst, vor allem in der Höhe und im Piano, wie etwa bei «Dein ist mein Herz» in dem Lied «Ungeduld». Kaufmanns Tenor konnte nicht immer ungehindert strömen, aber sein wunderbar warmes und deshalb so attraktives Timbre gab der Interpretation eine unverwechselbare Prägung und büßte kaum etwas von seiner Faszination ein, ja bekam mitunter eine nicht unpassende baritonale Färbung. Besonders die Passagen im kernigen Forte wie «Hätt’ ich tausend Arme zu rühren!» aus «Am Feierabend» oder die gesteigerte Dramatik in «Eifersucht und Stolz» verfehlten ihre Wirkung nicht, aber auch der zarte, verletzliche Ausdruck in «Trockne Blumen» oder die Erlösungsvision am Ende von «Des Baches Wiegenlied» verhalfen diesem Abend zu berückenden Momenten.

Nun ist Kaufmanns Sichtweise auf diesen Schubertschen Liederzyklus von der Vorstellung bestimmt, dass diese tragische Geschichte vom unbekümmerten Müllersgesellen, der sich vergeblich in die Tochter seines Chefs verliebt und vor lauter Pein am Ende sich das Leben nimmt, nach einer jungen Stimme verlangt. In diesem Sinne interpretiert Kaufmann die ersten Lieder frisch, fröhlich und recht naiv, strotzend vor Energie und Selbstvertrauen, bis die Stimmung kippt und sich beim Müllersburschen in Anbetracht des übermächtigen Rivalen in Gestalt eines Jägers Desillusion und Resignation breit machen.

Fabelhafter Begleiter

Es gibt Interpreten wie etwa Christian Gerhaher oder Christoph Prégardien, die den Müller-Liedern mehr Farbwerte im Ausdruck abgewinnen als der vom Timbre her eher gleichförmige Jonas Kaufmann. Aber dafür hat dieser mit Helmut Deutsch einen fabelhaften Begleiter, der all diese Nuancen in seinem Klavierpart zur Geltung bringt – und sei es im nur wenige Takte umfassenden Nachspiel eines Liedes. So waren Jonas Kaufmann am Ende die Bravos und die Blumenpräsente seiner Fans sicher.






 
 
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