Ist ja wie Weihnachten: Alle berühmten Sänger, die man sich nur wünschen
kann, ziehen im Wiener Konzertbetrieb vor einem vorbei.
Jonas Kaufmann,
Bryn Terfel, Rolando Villazón, Juan Diego Floréz, lauter Publikumslieblinge.
Den Beginn machte am Mittwoch Jonas
Kaufmann, derzeit auf einer Welle des
Erfolgs. Um präzise zu sein, es ist vor Weihnachten, ein Schelm, wer da an
neue CDs für den Gabentisch denkt. Jonas
Kaufmann hat jüngst eine CD mit
Verismo-Reißern – voller Leidenschaft – herausgebracht (bei Decca), im
Konzerthaus präsentierte er aber ein schweres Liederprogramm. Es war nicht
deckungsgleich mit dem wegen Erkrankung abgesagten Salzburger
Festspielabend, dennoch zeigte es Kaufmann
besinnlich mit Schumann und Mahler.
Trotzdem herrschte dezenter Starglanz, „Suche Karte“-Schildchen
inklusive. Um den virilen Deutschen ist nicht nur dank seines guten
Aussehens ein Griss, nach der Eroberung von Bayreuth hält ihn nichts mehr
auf. Nach Wien kam er nicht als tenorale Stimmungskanone, sondern
Ausdruckssänger im besten Sinn. Schlichtheit ist seine Sache nicht, wenn
auch die Inbrunst im erzählerischen Sinn kontrolliert ausbrach und kernige
Aufschwünge opernhafte Kräfte freiließen. Robert Schumanns frühe Lieder,
dann die Fünf Lieder op. 40, dazwischen die packende „Belsatzar“-Ballade,
zum Abschluss des ersten Teils weitere von Todesschatten getönte Lieder –
Kaufmann fühlte sich in diesem Dunkel hörbar
immer wohler. Gustav Mahlers todtraurige „Kindertotenlieder“ mit langem Atem
und Anteilnahme faszinierten. Wenn Jonas
Kaufmann mächtig aufdreht, geht das ohne
Anstrengung. Andere würden rote Gesichtsfarbe kriegen. Die sorgsame Diktion
und Phrasierung ist vorbildlich, die typisch baritonale Grundierung macht
noch die hohe Kopfstimme nobel. Helmut Deutsch wirkte als markanter
Mitgestalter am Flügel, sowohl bei Schumann als auch in Mahlers
Schmerzensmusik.
Der Jubel erzwang vier Zugaben, Schumanns „Mondnacht“ beruhigte.Buchtipp:
Wer wissen will, wie Jonas
Kaufmann tickt und sympathisch bescheiden,
mit charmantem Schalk auf seine Karriere zurückblickt: Alle Lebensstationen
bis hin zur Met werden dokumentiert, das Buch ist lehrreich und dennoch
unterhaltsam. Thomas Voigt, „Meinen die wirklich mich“, Henschel Verlag, 174
S.
|