Die Presse, 22.10.2010
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Liederabend, Konzerthaus Wien, 20. Oktober 2010
Jonas Kaufmanns tragische Lied-Dramatik
 
Der Tenorstar aus München begeisterte seine Wiener Fans mit einem ungewöhnlich düsteren Programm. Das Publikum war jedenfalls hingerissen – und erjubelte sich vier Zugaben.

Für viele Opernfans ist er der sprichwörtliche lang ersehnte Schwanenritter, der in den von jeher besonders heiklen tenoralen Gefilden stimmliche und äußere Attraktivität mühelos vereint: Jonas Kaufmann heißt der längst auf allen Bühnen zwischen München und der Met, der Scala und Covent Garden aufgegangene Stern, der keine stilistische Herausforderung scheut und, so scheint es, alles singen kann: von lyrischen Partien wie Massenets des Grieux in „Manon“ über Verdis Alfredo, Don Carlos und den Maurizio in Cileas Verismo-Schinken „Adriana Lecouvreur“ (aktuell in Berlin und London) bis zu schwereren Rollen des deutschen Fachs wie Florestan und Siegmund (erstmals im neuen Met-„Ring“ im April 2011).

Den Lohengrin hat Kaufmann zuletzt bei den Bayreuther Festspielen in Hans Neuenfels' umstrittener Inszenierung verkörpert – und bald darauf seinen in der gleichen Zeit angesetzten Liederabend im Großen Festspielhaus Salzburg krankheitshalber absagen müssen. So war die Nachfrage besonders groß, als er den Termin nun quasi nachholte – freilich im viel kleineren Mozartsaal des Konzerthauses.

Schwermut und Düsternis überwogen

Leicht haben er und sein ständiger Partner, der tadellos-prägnante Helmut Deutsch, es sich gewiss nicht gemacht: Sowohl im ersten, Schumann gewidmeten Teil, als auch nach der Pause bei Mahler überwogen Schwermut und Düsternis. Abgesehen vom dramatischen Reißer „Belsatzar“ waren es gerade bei Schumann vielfach weniger bekannte Werke, die ein beziehungsreich-kluges Programm bildeten: Vom „Muttertraum“ aus den nachtschwarzen Fünf Liedern op.40 etwa war es nur ein Schritt zu Mahlers „Kindertotenliedern“. Für heldentenoral strahlenden Aplomb gab es dort und da dennoch Anlass, umso mehr aber für jene Pianophrasen, die Kaufmann mit massiv baritonal gefärbter Stimme bei seinem plastisch differenzierten Vortrag so gerne bildet – und die ihn vor vielen bloß kraftmeiernden Kollegen auszeichnen. Nur: Ob diese dem Ohr als souveräne Zärtlichkeit schmeicheln und die Innigkeit des Wortes betonen oder doch zuweilen zwar leise, aber zugleich klangarm und unschön kehlig tönen, blieb erneut offen – eine Geschmacksfrage.

Die Fans waren jedenfalls hingerissen – und erjubelten sich vier Zugaben, darunter Straussens charmantes „Nichts“ op. 10/2 sowie „Stille Tränen“ aus den Kerner-Liedern und die fein gesponnene „Mondnacht“ aus Schumanns Eichendorff-Zyklus. .






 
 
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