Der Neue Merker
Dorothea Zweipfennig
Bizét: Carmen, München, 3. Juni 2010
CARMEN mit Garanca und Kaufmann
 
MÜNCHEN: Bayerische Staatsoper - 3.6.10 „CARMEN“ - ... und sie funktioniert doch ...

..., die alte Lina-Wertmüller-Produktion, die gar nicht so schlecht ist/war, wie immer getan wird. Dass man aus Kostengründen auf das Oldtimer-Defilee im 4. Akt verzichtet hat, hat der ganzen Chose einiges an Wirkung genommen, denn Carmen und José waren in so einem Automobil quasi gefangen und mussten ausschließlich darin ihre finale Auseinandersetzung bestreiten. Heute, ohne dieses Vehikel (im doppelten Sinne) hat man ein mit Blumen bestreutes Gelände in dem die jeweiligen Sänger tun und lassen können, was sie wollen – oder können. Und da liegt der Hase im Pfeffer, denn viele Jungsänger „können“ nicht mehr, nämlich spielen ohne haarklein detaillierte Regieanweisungen.

Nicht so das für diese Aufführungsserie aufgebotene Paar Elina Garanča – Jonas Kaufmann. Die können spielen, dass einem heiß und kalt abwechselnd wird, sie können sich aneinander entzünden und sich und das Publikum so in die wildesten Stimmungen versetzen.

Das ist ja auch das, was man von dieser Paar-Konstellation erwarten durfte. Zwar konnte die Garanča mit der natürlichen Erotik, die ihre Wiener „Vertreterin“ Nadia Krasteva in so reichem Maße zu bieten hatte, weder mit ihrer eher höhenorientierten Stimme noch mit ihrer langen Gestalt so recht mithalten; aber sie spielte diese Erotik ziemlich erfolgreich und erschütterte damit den zunächst doch so braven José. Für diesen hatte man mit Jonas Kaufmann das tenorale Nonplusultra, stimmlich, optisch, darstellerisch – was soll es da noch zu kritisieren geben; so ein Gottesgeschenk sollte man einfach nur genießen!

Genia Kühmeier sang die Micaëla mit geradezu ätherischen Tönen zwar wunderschön, zeigte aber das verschreckteste Hascherl, das man hier seit langer Zeit in dieser Rolle zu sehen bekommen hatte. Überraschend, wie wenig Kapital Ildebrando D’Arcangelo aus seiner vermeintlichen Torero-Idealerscheinung (Escamillo) zu schlagen weiß. Auch überraschte hier das gar nicht große Volumen seines Basses. Da machte ihm der Bass von Christian van Horn (Zuniga) hübsch Konkurrenz. Sehr erfreulich auch der Bariton John Chest als Morales, der kürzlich als Dandini in der Opernstudio-Cenerentola einen tollen Erfolg feiern durfte.

Bei den Schmugglern trugen Anaïk Morel (Mercedes) und Christin Rieger (Dancairo) die Krone davon, während Kevin Conners (Remendado) und die bei dieser Aufführung ungewöhnlich scharfstimmige Lana Kos (Frasquita) ordentlich ihre Pflicht erfüllten.

Die Chöre, ganz besonders im 1. , aber auch im 3. Akt begeisterten, während sie vor den extrem rasanten Tempi Karel Mark Chichons im 4. Akt kapitulieren mussten. Der Maestro überzeugte mich dieses Mal nicht ganz so total wie in der Oktober-Serie, war aber enorm engagiert am Werke. Welches Teufelchen ihn letztlich ritt, in den 4. Akt mit derart wahnwitzigem Tempo einzusteigen, bleibt sein Geheimnis; das (ausgezeichnet disponierte) Orchester packte es ja noch, aber die Chöre schafften es einfach nicht, sich diesem Höllenritt exakt anzupassen.
Viel Jubel für alle Beteiligten, besonders für den neuen „CAMPUS*-Botschafter“ Jonas Kaufmann.

*) Jonas Kaufmann stellt sich in einem ausliegenden Flyer als CAMPUS-Botschafter vor. Die Campus-Freunde sind ein neu gegründeter Kreis, der sich zur Aufgabe gemacht hat, die vielfältigen Angebote und Projekte des Kinder- und Jugendprogramms der Bayer. Staatsoper zu unterstützen.






 
 
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