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Opernglas, 7/8, 2009 |
J.-M. Wienecke |
La traviata, München, 9. Juni 2009
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Die
liebevolle Pflege des Kernrepertoires machte sich die Bayerische Staatsoper
im Frühsommer zur Pflichtaufgabe. Einmal mehr bewährten sich ältere
Parade-Produktionen des Hauses, die große Künstler wie von selbst zu
erfrischend neuem Leben erweckten. Das Stelldichein derführenden Primadonnen
unserer Zeit hatte bereits seit Monaten für binnen weniger Minuten restlos
ausverkaufte Vorstellungen und einen blühenden Schwarzmarkt gesorgt. Nach
Anna Netrebkos hinreißender Mimi an der Seite von Joseph Calleja kehrte im
Juni die immer wieder für ihre Bühnen-Allüren berüchtigte Angela Gheorghiu
nach langer München-Abstinenz auf die Bühne des Nationaltheaters zurück.
Beschwor man vor Ort in sensationslüsterner Aufmachung gar einen
Diven-Wettstreit, erwies sich das bald als blanker Unsinn. Beide
Künstlerinnen verhielten sich überaus kollegial, zu keiner Zeit kapriziös
und stellten sich respektvoll in den Dienst ihrer Aufgaben. Ohnehin galt
die gesammelte Aufmerksamkeit mindestens gleichrangig der Heimkehr des
inzwischen zum neuen Medien-Darling gereiften Jonas Kaufmann auf die Bühne
seiner Geburtsstadt. Am Tag nach der verunglückten »Aida-Premiere
definierten beide jene sängerische Klasse, die man an diesem führenden Haus
für gewöhnlich voraussetzt. Nur wenige Wochen vor seinem mit Spannung
erwarteten Lohengrin-Debüt bei den diesjährigen Münchner Opernfestspielen
gab Kaufmann mit dem Alfredo zunächst eine Kostprobe der italienischen
Fassette seiner Allrounder-Qualitäten.
Im Bund mit Simon Keenlysides nobel kultiviertem, im Spiel energischem Padre
Germont bot die Aufführung geradezu eine harmonisch aufeinander abgestimmte
Optimalbesetzung, die höchsten Ansprüchen genügte und von Kerry-Linn Wilson
am Pult auch ohne lange Probenphase mit großer Umsicht und bemerkenswertem
Stilgefühl zusammengehalten wurde.
Angela Gheorghiu, die sich mit erwarteter Grandezza, dabei aber stets
rollengerecht in Szene setzte, gelang nach noch etwas nervös verhaltenem
Beginn von Akt zu Akt eine furiose Steigerung. Ihr Sopran begann zu leuchten
und funkelte in immer neuen Farbschattierungen. Für ihre subtile, mit vielen
Nuancen und innigen Momenten aufwartende Violetta, die zu Herzen ging, wurde
sie mit orkanartigem Applaus und Bravi-Salven geradezu überschüttet. Dank
dieses einhelligen Erfolgs wirkte sie beim Schlussapplaus derart
überschäumend gelöst, dass sie die Komplimente enthusiastisch gestikulierend
ins jubelnde Rund zurückwarf. Gheorghiu tritt im Rahmen der Festspiele Ende
Juli zusätzlich in einem Gala-Arien-Konzert auf.
Kaufmann, inzwischen ein bevorzugter Bühnenpartner der Rumänin, setzte
sein interessantes, dabei betont maskulin dunkel gefärbtes Tenormaterial
nicht minder effektvoll ein, zeigte die technische Bandbreite seines Könnens
vom gehauchten Piano bis zu den mit strahlendem Squillo auftrumpfenden
Spitzentönen. Ganz nebenbei entwickelte das perfekt aufeinander eingespielte
Star-Trio die inzwischen 16 Jahre alte, in den stimmungsvollen Bildern von
Andreas Reinhardt zeitlos ansprechende Inszenierung von Günter Krämer mit
intensiver Rollengestaltung zu einer atemberaubenden Neufassung fort, die
unter die Haut ging. Selbst für die teilweise Erneuerung der Garderobe
der Protagonisten hatte man keine Kosten und Mühen gescheut: Das attraktive,
maßgeschneiderte Ballkleid der Gheorghiu erwies sich als echte Augenweide.
So liebt und erwartet man die Oper in München - Vor-Festspiele der
Sonderklasse am Nationaltheater. |
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Foto: Opernglas |
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