Wiener Zeitung, 11.5.2009
Von Gerhard Kramer
Puccini: Tosca, Wien, 9. Mai 2010
Melodiegesättigter Psychothriller
Unfassbare 527 (!) Aufführungen hat die Staatsoperninszenierung von Puccinis "Tosca" als Erinnerung an eine längst versunkene Zeit bis jetzt überstanden. Denn was Margarete Wallmann und ihr Ausstatter Nicola Benois vor 51 Jahren auf die Bretter wuchteten, wirkt kein bisschen verstaubt: Die überwältigende Rekonstruktion der Originalschauplätze, die historisch stilgetreuen Kostüme; das alles bietet einen idealen Rahmen für Singschauspieler, die den melodiegesättigten Psychothriller mit heißem Leben zu erfüllen wissen.

So (wieder einmal) geschehen am vergangenen Wochenende. Da machte Urgestein Ruggereo Raimondi, volle 40 Jahre nach seinem Staatsoperndebüt prächtig bei Stimme, als Scarpia wahrhaft schaudern: Mit seinem fahlen Timbre, seiner ein wenig starren Tongebung, der unbeugsamen Härte seines Spiels. In der Titelpartie hatte die amerikanische Sängerin Catherine Nagle stad schon bei den vorjährigen Bregenzer Festspielen aufhorchen lassen. Jetzt, bei ihrem ersten Auftreten im Haus am Ring, bestätigte sie diesen Eindruck mit ihrem reich facettierten, strahlend aufleuchtenden Sopran und der lebendigen Darstellung eines widersprüchlichen-liebenswerten Charakters.

Innig und warm

Von besonders berührender Innigkeit und Wärme waren ihre Liebesszenen mit Cavaradossi geprägt. Jonas Kaufmann war ihr darin ein gleichgesinnter Partner. Der alle hergebrachten Fachgrenzen souverän missachtende Münchner brillierte auch im italienischen Genre mit seinen berückenden Pianophrasen, die er so gern zum glanzvollen Forte anschwellen lässt. Nur bei seiner großen Arie im dritten Akt stahl ihm der exzellente Soloklarinettist die Show.

In Nebenpartien konnten sich Clemens Unterreiner (Angelotti), Alfred Sramek (Mesner) und Alexander Kaimbacher (Spoletta) profilieren. Als Hirte stand ein tapferes Kind der Opernschule allerdings auf verlorenem Posten. Und am Pult wühlte Pier Giorgio Morandi eher breiigen Orchesterklang. Dennoch: Nicht endenwollender Jubel!






 
 
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