Schaffhauser Nachrichten, 31.03.2009
Mark Liebenberg
Puccini: Tosca, Zürich, 29. März 2009
Opernthriller mit starkem Sängertrio
Umjubelte Neuinszenierung der Oper «Tosca» von Giacomo Puccini am Opernhaus Zürich.
Zürich «Questo è il bacio di Tosca!», schleudert die Diva ihrem Peiniger Scarpia entgegen, als sie ihm das Messer in die Brust gerammt hat. Als veritabler Opernthriller wird Giacomo Puccinis «Tosca» gern bezeichnet, als in der Opernliteratur erster und wohl konsequentester Versuch, eine Story voll Sex, Macht und Gewalt in drastischem Realismus auf der Opernbühne umzusetzen.

Tosca zählt zu den bekanntesten und meistgespielten Opern des gesamten Repertoires. Mit seinem untrüglichen Theaterinstinkt erkannte Puccini auf Anhieb die Bühnenwirksamkeit des Stoffes, der auf einem Schauspiel für die Jugendstil-Ikone Sarah Bernhardt beruht. Die Musik ist von dramatischer Durchschlagskraft, peitscht die Handlung atemlos vorwärts, das Timing ist nahezu perfekt. Die ruhenden Pole, die Arien und Duette, sind relativ kurz gehalten, dafür von einer Schönheit, wie sie nur Puccini gelang – verschwenderische Melodik, rauschhafte Orchesterfarben, effektsichere Theatermusik.

Sängeroper in Luxusbesetzung

«Tosca» – das ist erst einmal die Oper der Titelfigur. Der amerikanischen Sopranistin Emily Magee gelingt ein rundum überzeugendes Rollendébut. Tosca, die eifersüchtige, impulsive, leidenschaftliche Frau: Stimmlich und besonders darstellerisch gewinnt sie dieser schwierigen Partie einiges ab. Ihr kultivierter Sopran verfügt über ein tolles Legato, die erforderliche Konsistenz in der Mittellage sowie stimmliche Ausdauer. Ihr zur Seite steht der junge deutsche Tenor Jonas Kaufmann – eine Wunschbesetzung auch er. Seinen kraftvollen Tenor setzt er überaus kontrolliert ein, verfügt über ein wunderbares Pianissimo, geizt aber auch nicht mit tenoralem Schmelz und strahlenden Spitzentönen. Und dann Thomas Hampson als Scarpia: Können höchste Erwartungen noch übertroffen werden? Ja, Hampsons Interpretation (ebenfalls ein mit Spannung erwartetes Rollendébut) ist der wahre Knüller des Abends. Mit überwältigender Bühnenpräsenz und seinem unvergleichlich eleganten Bariton singt und spielt er die Fiesheit und Abgründigkeit Scarpias hemmungslos aus. Ein grosses Erlebnis. Und nichts käme zustande ohne diesen tollen Klangkörper, das Orchester der Oper Zürich. Unter der Leitung des erst letzte Woche eingesprungenen Paolo Carignani setzt es der Produktion allen musikalischen Glanz auf, den man sich wünschen kann.

Theater-im-Theater-Effekte

Der kanadische Erfolgsregisseur Robert Carsen verlegt die Handlung in ein Theater: Vor dem geschlossenen Vorhang, hinter oder neben der Bühne und zum Schluss auf der offenen, leeren Szene spielt sich das Melodram ab (Ausstattung: Anthony Ward). Kein Kircheninterieur, keinen Palazzo und keine Engelsburg gönnt uns das Regieteam. Nebenrollen und Statisten kommen als Operettenfiguren daher, während die reale Ebene des Dramas irgendwann in den vierziger Jahren angesiedelt ist, samt Greta-Garbo-Chic. So, wie das Werk selber Teil des Divenkults wurde (es war die Paraderolle der Callas), so inszeniert Carsen die Hauptfigur selber als Diva. Tosca ist die Inkarnation der Primadonna, das Geschehen ihre Show. Selbst das Tedeum im ersten Bild ist nichts weiter als eine schale Inszenierung auf der Bühne auf der Bühne und Tosca singt ihre grosse Arie «Vissi darte» als konzertante Performance einer Diva, an der Rampe mit hell ausgeleuchtetem Proszenium. Fehlen nur noch Nebelmaschine und Discokugel. Nützt solcherlei Verfremdung dem Verständnis dieses Werks? «Tosca» ist dramaturgisch äusserst stringent. In Puccinis musikdramatischem «Verismo» kommt es auf die Unmittelbarkeit des Melodrams an, auf die bisweilen drastische, stets aber logisch begründete Überzeichnung des Innenlebens der Figuren. «Bigger than life» sind diese Charaktere, aber niemals abstrakt. Verfremdung wirkt nur sinnstiftend, wenn der Zuschauer weiss, auf welcher Ebene er angesprochen wird und warum: auf der Ebene des Dramas oder derjenigen des Theaters im Theater. Manchmal ist das hier unklar. Störend ist jedenfalls, wenn beim Schlussvorhang Emily Magee den realen Applaus als Primadonna schauspielernd zunächst nicht vom realen, sondern vom imaginären Publikum entgegennimmt. «Tosca» funktioniert eigentlich gut ohne solche Regiekniffe. So bleibt einem denn auch der nach wie vor aufregende Opernthriller für drei starke Sänger, die sich dem Rausch der Musik intelligent nähern und darstellerisch wie musikalisch dafür sorgen, dass das Zürcher Opernhaus mit einer Produktion einmal mehr in die oberste Liga aufrückt. Musikalische Spitzenleistung von Weltformat.






 
 
  www.jkaufmann.info back top