Art-TV.ch, 30.03.2009
Kaspar Sannemann
Puccini: Tosca, Zürich, 29. März 2009
Tosca
Foto: Suzanne Schwiertz
Es muss nicht immer TOSCA sein – war man nach den Premierenankündigungen vor einem Jahr, in leichter Abwandlung eines Buchtitels von Simmel, versucht zu sagen. Wenn man jedoch drei Weltstars ans Haus verpflichten kann, dann MUSS es TOSCA sein. Musikalisch blieben an der Premiere deshalb tatsächlich keine Wünsche offen. Emily Magee begeisterte mit einem restlos überzeugenden Rollendebüt als grosse Diva Floria Tosca, von der eifersüchtig Liebenden zur grossen Tragödin, von der humorvollen Frau (ja das gibt es auch in diesem Schauerstück) zur gekonnt mit ihren Reizen spielenden Verführerin durchschritt sie gekonnt ein breites Spektrum der weiblichen Psyche. Ergreifend sang sie ihr grosses Gebet Vissi d’arte, verloren am Bühnenrand stehend, die Stimme verzweifelt aufblühen lassend. Damit reiht sie sich erfolgreich in die Reihe der grossen Primadonnen ein, welche in den vergangenen vierzig Jahren Tosca auf der Zürcher Bühne verkörpert haben, von Antigone Sgourda über die Caballé, die Tomowa-Sintow, die Bumbry, zu Dame Gwyneth Jones und Mara Zampieri. Mit ihrem eher dunklen Timbre harmonierte Emily Magee perfekt mit dem ebenfalls dunkel gefärbten Tenor von Jonas Kaufmann. Er ist der einzige des Protagonistentrios mit Rollenerfahrung. Im ersten Akt überzeugte er mit einer wunderbaren Mittellage, kerniger, männlicher Stimme, ohne die oft so störenden tenoralen Schluchzer vieler seiner Kollegen. Das triumphale Vittoria nach der Folterszene im zweiten Akt gelang vortrefflich und das elegische E lucevan le stelle im dritten Akt gestaltete er vom zarten, fast gehauchten Piano des Beginns zum verzweifelten E muoio disperato des Schlusses mit grosser Spannung, vielleicht mit einer leichten Tendenz zum Manierismus.

Der Auftritt Scarpias im ersten Akt gleicht einem wahren coup de théâtre. Wie ein aalglatter Mephisto erscheint er plötzlich zwischen den Säulen. Thomas Hampson verfügt über einen galanten, eher weichen und vornehmen Stimmklang. Das Durchtriebene, das Perfide dieser Figur erreicht er nicht mit schwarzer, rauer Tongebung sondern er lässt das Böse im Gewand des sarkastisch lächelnden Charmeurs durchschimmern. Dadurch bekommt die Figur eine noch bedrohlichere Dimension. Dem Starbariton gelingt in seinem gefeierten Rollendebüt ein eindringliches Psychogramm des sadistischen, tyrannischen Polizeichefs.

Weniger gelungen ist die Inszenierung, die – nebenbei bemerkt – auch nichts wirklich Neues ist, sie war schon in Hamburg, Antwerpen und Barcelona zu sehen (was aber im Programmbuch nur zu erfahren ist, wenn man die Biographien ganz genau durchliest): Regisseur Robert Carson und Ausstatter Anthony Ward verlegen die bezüglich Zeit und Ort so eindeutig fixierte Handlung auf und hinter die Bühne eines Theatersaals. Das scheint auf den ersten Blick Sinn zu machen, agieren doch die Protagonisten in einem Gebilde aus Lügen, egozentrischer Selbstdarstellung und Intrigen, wie es das Klischee der Theaterwelt so gerne kolportiert. Doch in der Umgebung eines „Theaters auf dem Theater“ verpuffen die von Puccini so genial konzipierten Kontrastwirkungen vollkommen: Das Morbide des ersten Aktes, in welchem vor den Augen der Madonna geflucht, gehasst und geliebt wird, vermag seine Wirkung nur in einer kirchlichen Sphäre zu entfalten und nicht in einem nüchternen Zuschauerraum, wo die Theaterbesucher (weshalb auch immer…) ein TE DEUM anstimmen. Die friedliche Morgenstimmung mit der Hirtenidylle und dem so lautgetreu komponierten Glockengeläute zu Beginn des dritten Aktes soll als Kontrast zur darauf folgenden, grausigen Hinrichtungsszene dienen. In Zürich sieht man nur einen leeren Bretterboden. Da kann Jonas Kaufmann noch so ergreifend singen, echtes Mitgefühl stellt sich nicht ein, es ist ja alles nur Theater. Es scheint fast, man wollte allem Emotionalen aus dem Weg gehen, nur um TOSCA einmal anders als gewohnt darzubieten. Mit Ausnahme der überzeugenden Personenführung im zweiten Akt hat Zürich eine nichtssagende, stimmungs- und belanglose neue TOSCA erhalten. Schade!

So oblag es dem vorzüglich spielenden Orchester und dem Dirigenten Paolo Carignani (nach der Absage von Christoph von Dohnáhnyi kurzfristig eingesprungen), die farben- und kontrastreichen Stimmungen zu erzeugen. Ihnen und der Sängerin und den Sängern gelang eine musikalisch mitreissende Wiedergabe dieser Oper der grossen Gefühle.

Persönliche Anmerkung: TOSCA gehört zu meinen Lieblingsopern. Sie steht aber seit Jahrzehnten praktisch ununterbrochen auf dem Spielplan des Opernhauses Zürich, die letzte Neuinszenierung liegt gerade mal neun Jahre zurück. Man hätte dem Werk (vielleicht auch zur Erarbeitung einer wirklich tiefgründigen Neuinszenierung) gerne mal eine Verschnaufspause gegönnt.

Fazit:
Musikalische eine Sternstunde, die Inszenierung belanglos ärgerlich.






 
 
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