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Pforzheimer Zeitung, 26.
Januar 2009 |
Thomas Weiss |
Strauss: Rosenkavalier, Baden-Baden, 25. Januar 2009
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Milde Resignation im 3/4-Takt
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BADEN-BADEN. Bei Strauss (und Wagner)
verzeiht man dem Dirigenten Christian Thielemann alles, auch wenn er sich
nicht gerade geistreich zum Thema Regietheater äußert, wie just wieder im
Vorfeld der Eröffnung der Winterfestspiele des Festspielhauses Baden-Baden.
Ganz im Sinne des Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker kommt Regisseur
Herbert Wernicke, dessen 1995 für die Salzburger Festspiele geschaffene
Inszenierung des „Rosenkavaliers“ gespielt wurde, „glücklicherweise ohne
diese ganzen Schockwirkungen aus“. |
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Die Produktion, die von Alejandro Stadler an der
Oos mit einem Luxus-Ensemble neu einstudiert wurde, setzt auf opulente
Bilder von höchster ästhetischer Anziehung. Mit ihnen und den ebenfalls von
dem bereits vor sechs Jahren verstorbenen Wernicke kreierten Kostümen werden
Handlungs- und Entstehungszeit ebenso wie die Gegenwart reflektiert. Das
stilisierte Rokoko der Text-Vorlage Hugo von Hofmannsthals wird ebenso
zitiert wie die Jahrhundertwende. Der raffinierte Einsatz von Spiegelflächen
erhöht die suggestiven Bildwirkungen.
Keine gewaltsame Umdeutung
Eine gewaltsame Umdeutung der Geschichte der Marschallin, die ihren jungen
geliebten Oktavian an Sophie verliert, gibt es nicht. Und die Enttarnung des
Mitgift- und Schürzenjägers Ochs von Lerchenau, der die frisch geadelte
Sophie heiraten will, wird mit handfest-drastischer Komik und einem
gewaltigen Statisterieaufwand wirkungsvoll in Szene gesetzt. Dass der
„Rosenkavalier“ Thielemann eine Herzenssache ist, unterstreichen schon die
ersten Takte der Ouvertüre. Mit seinen Münchner Philharmoniker, die die Oper
bislang nie gespielt haben, gelang ihm ein Strauss-Fest. Thielemann liebt
den machtvoll-dunklen Orchesterklang, der ungemein variabel ist, sich aber
immer wieder aufgelichtet und den hervorragenden ersten Pulte zudem
Gelegenheit zur solistischen Entfaltung gibt.
Die Fähigkeit des Dirigenten, große Spannungsbögen aufzubauen und trotzdem
den stets präsenten 3/4-Takt mit großer rhythmischer Freiheit zu behandeln,
prägt diesen „Rosenkavalier“ ebenso wie Thielemanns sängerfreundliche
dynamische Rücksichtnahme. Dass dieser „Rosenkavalier“ mit Jubelstürmen
gefeiert wurde, lag aber ebenso an einem Strauss-Ensemble, wie man es sich,
abgesehen vielleicht vom anfänglich zurückhaltend-belegt klingenden Franz
Hawlata (Ochs von Lerchenau), überzeugender kaum wünschen kann. Da aber auch
Hawlata sich ab dem zweiten Akt steigerte und zudem den handfesten
Schwerenöter (in Tracht und Lederhosen) überzeugend spielte, wurde auch er
in den Schlussjubel eingebunden. Renée Flemings Marschallin ist heute eine
Klasse für sich, eine ebenso aparte wie aristokratische Bühnenerscheinung
unterstützt den hervorragenden Eindruck der Amerikanerin, deren
farbenreicher Sopran an Kraft zwar zugelegt hat, die aber noch immer mit
ihren schwebenden Piani gefangen nimmt.
Umjubelte Sängerinnen
Ihr „Zeit“-Monolog zeigt sich als große Gestalterin, die aber sich nicht nur
resignierend abfindet, sondern zum Aufbegehren bereit ist. Sophie Kochs
zeichnet den Oktavian mit ihrem markanten Mezzo als
überschwänglich-jugendlichen Liebhaber, der aber sich ebenso schnell von der
Marschallin ab wie der liebreizenden Sophie zuwendet. Diana Damrau zeichnet
diese mit hellem Sopran als idealistisches junges Mädchen, dem am Ende
einiges über die Lebens- und Liebesrealität klargeworden zu sein scheint.
Die kurze, gesangstechnisch anspruchvolle Arie des italienischen Sängers
nutzt der neue Tenorstar Jonas Kaufmann, um eine Kostprobe seiner prächtigen
dunkel-timbrierten Stimme zu geben.
Franz Grundheber ist ein nicht nur stimmlich prägnanter Faninal, ebenso wie
Irmgard Vilsmeier als Leitmetzerin. Der Jubel schloss das weitere
zuverlässige Ensemble ebenso wie die Chöre (Philharmonia Chor Wien,
Kinderchor des Karlsruher Helmholtz-Gymnasium) ein. Wer keine Karte für die
weiteren ausverkauften Aufführungen ergattern konnte, darf sich auf den
DVD-Mitschnitt der Produktion freuen. |
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