"Was
die Ärzte wohl mit ihm gemacht haben?", raunten einige im Publikum am
Mittwochabend. Nur drei Tage zuvor hatte Tenor Jonas Kaufmann seine
"Lohengrin"-Partie in der Münchner Staatsoper wegen Erkältung (es war
keine Erkältung) und hohem Fieber abbrechen müssen. Nun sollte der
gefragte neue Star am Sängerhimmel bei den Thurn und Taxis
Schlossfestspielen eine Opern-Gala bestreiten. Würde er auftreten und
durchhalten?
Bei den gut disponierten Hofer Symphonikern wusste man schon mal, was man an
ihnen hat: Unter dem Dirigat des in Opern äußerst erfahrenen Jochen Rieder
boten die Oberfranken passend zum lauschigen Sommerabend die ganze
Bandbreite von schimmernder Seidigkeit bis zu vollmundigem Tuttiklang und
steigerten sich im zweiten Konzertteil zu strahlender Hochform.
Sechs kurze Auftritte
Doch der erste Blick ins Programmheft enttäuschte manchen der (nicht nur
weiblichen) Tenor-Bewunderer, die jeden Sommer im Innenhof von Schloss St.
Emmeram auf ihre Kosten kommen: Nur sechs kurze Auftritte des 40-jährigen
Münchner Sängers an der Schwelle zum Starruhm waren da bei romantischen
Arien zu erkennen.
Die Instrumentalstücke des Orchesters erwiesen sich zudem (bei Bizets
"Patrie"-Ouvertüre oder Rossinis schneidig gerittener "Wilhelm
Tell"-Einleitung) als überlang. Die Interpretationsfreude des Orchesters
entschädigte aber für das gewisse Ungleichgewicht. Bei den fünf Auszügen aus
der "Carmen Suite" ließ sich das Festspielpublikum gar zu einem heftigen
Zwischenapplaus hinreißen.
Mit der Maler-Arie "Recondita Armonia" des Cavaradossi stellte sich der hoch
gewachsene Jonas Kaufmann mit braun gelockter Mähne und gepflegtem
Dreitagebart elegant in seiner Arbeitskleidung, dem Frack, vor. Da setzte
die Damenwelt schon gerne mal das Opernglas an das erfreute Auge, und das
Ohr wartete gespannt auf "Deutschlands schönste Stimme", wie es auf
Kaufmanns neuer CD "Sehnsucht" wenig bescheiden heißt. Gleich zu Anfang
waren Intonationssicherheit, klingendes Piano, stimmungsvolle Modulationen
und herrlich dynamische Aufbauten zu genießen.
Kaufmanns Arien aus "Martha" und "Werther" blieben dagegen etwas blass, und
nur ein Stern blinkte am Nachthimmel bei "E lucevan le stelle". Die
Tenorarie ging zwar unter die Haut, wurde aber einem absoluten Superlativ
nicht gerecht.
Mit französischem Charme schlupfte Kaufmann in die Rolle des Don José.
Atemlose Stille herrschte, als er auf dem Weg zum Helden mit magischer
Ausstrahlung den Schwanenritter gab, als Lohengrin ("In fernem Land,
unnahbar euren Schritten") seinen Abschied von Elsa nahm, die als Frau
einfach zu viele Fragen stellte. Wer diesen "Lohengrin" hören durfte,
löschte die CD-Aufnahme sofort aus dem Gedächtnis und entwickelte Vorfreude
auf Bayreuth 2010: Da wird Jonas Kaufmann die Titelpartie in der
"Lohengrin"-Neuinszenierung von Hans Neuenfels übernehmen.
Da applaudierten Alfred Biolek und Fürstin Gloria "alfredissimo", das
Publikum rief "Bravissimo" und erhob sich "prestissimo" von den Sitzen.
Aufgrund dieser Gunstbeweise gewährte der Sänger sage und schreibe vier
Zugaben, gab darunter den "Rigoletto" und den Operettenkracher "Freunde, das
Leben ist lebenswert!" zum Besten.
So kann, so muss eigentlich eine Tenor-Gala enden. |