Passauer Neue Presse, 24.07.2009
Michael Scheiner
 
Er singt sie fast ohnmächtig
 
Münchens Tenor Jonas Kaufmann lässt in Regensburg selbst ausgewrungene Gassenhauer neu erstrahlen
Foto: altrofoto.de

Ganz am Schluss, war es die vierte oder schon die fünfte Zugabe, hat er doch noch seine Qualitäten als echtes Bühnentier aufblitzen lassen. Jonas Kaufmann, neuer Star am Klassikhimmel, sang bei den Schlossfestspielen in Regensburg die populäre - fast möchte man sagen ausgewrungene - Canzone „La donna è mobile“ aus Verdis „Rigoletto“ mit solch geschmeidiger Perfektion, vibrierender Leidenschaftlichkeit und fein dosiertem Spott, dass einige der rund 3000 Besucher kurz davor standen, in Ohnmacht zu fallen.

Weil das aber bei den Standing Ovations keiner bemerkt hätte, klatschte man umso heftiger, erging sich in Bravo- und Hochrufen und lautstarkem Trampeln. Selbst grelle Pfiffe hallten bewundernd und anfeuernd von den Mauern des Thurn-und-Taxis-Schlosses wider. Einzigartig Fürstin Glorias Attitüde, die sich vor Begeisterung hinreißen ließ, den Rhythmus mitzuklatschen. Kaufmann quittierte es mit erstauntem Schmunzeln.

Dabei hatte sich gegen Ende des regulären Programms, das der Münchner Tenor mit den Hofer Symphonikern auf die große Bühne gebracht hat, ein bisschen Enttäuschung breit gemacht. Keineswegs wegen Kaufmanns überragenden, ja sensationellen Qualitäten, dem glänzend agierenden Orchester unter Leitung Jochen Rieders oder einem - technisch hervorragend verstärkten - Klang. Der 40-jährige Kaufmann, er feierte vor wenigen Tagen Geburtstag, hatte sich rar gezeigt - bis dahin war es eher ein Orchesterkonzert mit Gesangseinlagen. Drei kurze Arien vor und drei nach der Pause empfanden viele einfach als zu wenig. Mit den vehement eingeforderten Zugaben holte der Tenor dann wirklich restlos alle mit Gassenhauern wie „Freunde, das Leben ist lebenswert!“ aus Franz Lehárs „Giuditta“ aus ihren Schmollwinkeln. Regensburg lag und liegt dem Künstler zu Füßen.

Schon nach der kurzen Arie Carradossis, „Recondita Armonia“ aus Puccinis „Tosca“, schreien verzückte Anhängerinnen auf. Vom ersten Ton an zeigt Kaufmann eine eindrucksvolle Präsenz, Fülle und fulminante Ausstrahlung. Hinter jedem Pianissimo - wie im bewegenden „Pourquoi me reveiller“ aus Jules Massents selten gespielter Oper „Werther“ - wird eine außerordentliche Kraft und körperliche Tonspannung hörbar. Seine leicht baritonal gefärbte Stimme funkelt lebendig und vielschichtig, er bewegt sich ebenso sicher und unverkrampft in lyrischen Passagen, dramatischen Rollen wie heldischen Posen. Zarte Höhen erklimmt er genauso leichtfüßig, wie er Abgründe bis in die tiefsten Winkel ausleuchtet.

Dass er die Gemütszustände der Figuren nachlebt, wird in Bizets „La Fleur que tu m’avais jetée“ aus „Carmen“ so spürbar und deutlich wie in Wagners „Lohengrin“, wo er Verlust und Pathos „In fernem Land“ mit schon fast schmerzlicher Hingabe ergründet. Und sein Publikum daran teilhaben lässt. Welch ein Abend, welch eine Stimme!






 
 
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