Der Neue Merker, 30. April 2009
Massenet: Manon, Wien, 30. April 2009
Manon
Das Interesse an diesem Abend galt wohl nicht der „Manon“ von Massenet, sondern dem Des Grieux in Gestalt von Jonas Kaufmann. Schließlich hat dieser deutsche Sänger in letzter Zeit an internationalem Ruhm (und medialer Beachtung – „der Opern-Rockstar“) explosionsartig zugelegt. Was in Wien zwar für ausverkaufte „Toscas“ sorgt, die Kaufmann noch singen wird, nicht hingegen für volle „Manons“. Was in diesem Fall kein Schaden war, denn der Star befand sich nicht in bester Verfassung, worüber man sich angesichts der Wetterkapriolen allerdings nicht wundern muss.

Liest man die Kritiken über seinen ersten Wiener Des Grieux am Sonntag, dann muss Kaufmann bei dieser Gelegenheit stimmlich entschieden besser gewesen sein. Diesmal hörte man Piani ohne Substanz, ein Mezzavoce, das kaum über den Orchestergraben kam (Miguel Gomez-Martinez ließ die Musik allerdings unfair laut toben), und so blieben am Ende gerade nur ein paar Spitzentöne, die zeigen, dass er es kann. Da muss schon mehr dabei sein, wenn man bedenkt, was Kaufmann zwischen seinem heimatlichen München (wo er im Sommer seinen ersten Lohengrin versucht, den er 2010 auch in Bayreuth geben wird) oder der Met (wo er demnächst José, Faust und Siegmund singen wird) alles anvertraut bekommt. Wir werden es bei der „Tosca“ noch einmal probieren.

Eines steht jedenfalls fest: Kaufmanns sympathische Bühnenpräsenz ist bedeutend, als Darsteller wirft er sich mit schrankenlosem Einsatz in die Rolle, und sein Aussehen schadet in Zeiten wie diesen natürlich auch nichts – schlank und rank, weit jugendlicher wirkend als die 40, die er heuer wird, mit dem interessanten Gesicht unter dem Wuschelkopf, das so gar nicht deutsch wirkt, sondern eher wie ein Villazon-Bruder (was man ihm schon oft gesagt hat)***: Das hilft. Aber wenn es nicht mehr als das wäre, nützte es auch nichts.

Dass Norah Amsellem nicht unsere Wunsch-Manon ist, haben wir schon früher festgestellt. Gewiss, sie „kann“ die Rolle, spielt sie eigentlich sehr überzeugend, aber die Stimme ist nicht nur schmal und höhenscharf, sondern auch völlig uninteressant. Wenn diese Manon im dritten Bild ihre „große Szene“ als prickelnder Star hat, ist man fassungslos über derartige Glanzlosigkeit in Gesang und Ausstrahlung.

Markus Eiche als Lescaut nützt die Tatsache, dass er den ersten großen Auftritt des Abends hat, um entsprechend auf sich und seinen Qualitätsbariton aufmerksam zu machen. Clemens Unterreiner als Brétigny ist unübersehbar – warum muss er immer so schamlos übertreiben? Michael Roider als Morfontaine gibt einen Schurken mit beschädigter Stimme. Dan Paul Dumitrescu als sanfter Papa Des Grieux überzeugt ebenso wie die drei Damen, die eigentlich Dämchen sind: Elisabeta Marin (Poussette), Caroline Wenborne (Javotte) und Juliette Mars (Rosette).

Sitzt man im Parkett, kann man in der mühselig-affektierten Inszenierung von Andrei Serban, deren Bühnenbild (Peter Pabst) nur ablenkt und den Sängern das Leben erschwert, ein konkretes Datum erkennen: Dass hier ein Plakat für den Film „Die barfüßige Gräfin“ mit Ava Gardner hängt, zeigt an, dass der Regisseur das Geschehen etwa ins Jahr 1954/55 verlegt. Nicht, dass das wichtig wäre… Wichtiger für den Abend war, dass Dirigent Miguel Gomez-Martinez, wie schon erwähnt, immer wieder zu grobschlächtig-laut war, es klang ja schon der Anfang mehr nach Operette als nach Oper. So war es alles in allem ein wackliger Abend.
Renate Wagner

*** Wer hat das schon oft gesagt? Gewiss nicht die Presse, da es dann auf dieser Webseite zu finden wäre. Frau Wagners sängerische Vorlieben in Ehren, aber die beiden haben ja wohl gar keine Ähnlichkeit.

Ein Beitrag aus dem Merker Forum zu Frau Wagners Vorliebe in der Mehrheit zu schreiben, nicht von mir versteht sich, aber trotzdem ganz unterhaltsam.

2654 rigelotto 01.05.2009 15:04
Manon-Kritik: Wer ist "wir"?
Es liegt mir absolut ferne, mich in die immer wieder aufflammende Pro- und Kontra-Debatte um Frau Wagner einzumischen, auch kenne ich die Dame gar nicht. Was mir mit der Zeit allerdings immer unangenehmer auffällt, ist das inflationäre „wir“ in ihren Berichten. Wie zum Beispiel aktuell über „Manon“.

Ich frage mich nun: Ist das ein apostolisches oder majestätisches „wir“, sind also hochwohlgeboren Frau Wagner Päpstin einer geheimen Sekte oder gar Honorarkaiserin einer Südseeinsel? Oder will Frau Wagner damit einfach nur das egomane „ich“, das in einer Kritik im Gegensatz zum Erlebnisaufsatz bekanntlich wenig geschätzt wird, gnädig umschiffen? Oder ist es womöglich gar so, daß sie sich in der Pause erst heimlich umhören muß, um sich anhand der übrigen Publikumsmeinungen ihr Bild zu machen, was immerhin einer geheimen demoskopischen Umfrage gleichkäme? Wodurch das „wir“ ja dann sogar eine ernsthafte Berechtigung erlangte...


Musikbeispiele:

Also „wir“ ( äh... ich und der, der es aufgenommen hat) behaupten, dass man sehr wohl jede Silbe hören konnte und das trotz Gomez-Martinez’ Krach, trotz häufiger Huster im Zuschauerraum (muss wohl an den erwähnten Wetterkapriolen gelegen haben) und trotz des Knarrens des Gestühls im Parkett.

1. Akt: Nous vivrons à Paris, Amsellem/Kaufmann, Wien, 30.4.2009

3. Akt: Je suis seul!....Ah! fuyez, douce image, Wien, 30.4.2009


3. Akt: Toi!..Vous!, Amsellem/Kaufmann, Wien, 30.4.2009






 
 
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