Südwest Presse,  08.10.09
OTTO PAUL BURKHARDT
Mahler: Das Lied von der Erde, Bad Urach (in Metzingen)
Gruslig knarrts im Kontrafagott
 
Uracher Musikherbst mit Jonas Kaufmann

Der Musikherbst ist eine Drehscheibe: Jonas Kaufmann war hier seit 1993 oft zu Gast. Jetzt kam er als gefeierter Toptenor wieder - ein starker Auftritt.
Bad Urach Gar keine Frage, die Herbstlichen Musiktage pflegen ein eigenwilliges Profil. Klein, aber exquisit - und etwas anders gestrickt als vergleichbare Festivals. Der Musikherbst fährt nicht den üblichen Wanderzirkus mit angesagten Szenestars auf, sondern versteht sich als generationenübergreifendes, lebendiges Sängerforum. Als Treffpunkt, bei dem sich erfahrene Branchengrößen - heuer etwa der 70-jährige, frühere Karajan-Tenor Horst Laubenthal - mit handverlesenen Junginterpreten austauschen. So geht das schon seit fast 30 Jahren.

Und es zahlt sich aus. Siehe Jonas Kaufmann: Der 40-jährige Münchner Tenor stand als Jungspund schon 1993 in Urach auf der Bühne, zählte bis 2005 zu den Stammgästen des Musikherbsts und war jetzt aus alter Verbundenheit hier wieder zu Gast. Keine Selbstverständlichkeit, denn inzwischen ist Kaufmann zum Medien-Superstar avanciert, gilt als "Stimmwunder", als "kommender Jahrhunderttenor", als "einer der wichtigsten Sänger unserer Zeit" ("Times"), der "überirdisch schöne Töne" von sich gibt und als "Latin-Lover-Typ" sogar in sonst eher kulturfernen Lifestyle-Gazetten auftaucht. Mit der Mezzosopranistin Margarete Joswig, seiner Ehefrau, sang Kaufmann Mahlers "Lied von der Erde".

Ein toller, ein starker Auftritt. Kaufmann hat etwas, das andere Tenöre nicht immer besitzen: Leichtigkeit auch in extremen Höhen. Seine Stimme, früher oft kehlig eingefärbt, ist weiter und offener geworden - immer lyrisch und baritonal grundiert, auf jeden Fall glutvoll, dennoch balsamisch weich und ungeheuer farbenreich. Kaufmann kann in umwerfendem Flammenwerfer-Fortissimo vom "Duft des Lebens" schwärmen und mit hauchzarter Kopfstimme ("wie im Traum") den "Trunkenen im Frühling" geben. Glänzend.
 
Gut, es gibt Sänger, die den Mahlerschen Vergänglichkeits-Tonfall noch verklärter und entrückter klingen lassen. Doch diesen Part übernimmt Margarete Joswig, die, von kleinen Drückern abgesehen, das Schlusslied "Abschied" als bittersüßen Welt-Abgesang zelebriert - in überirdisch entschwebenden Kantilenen. Peter Schrottners Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz liefert den packenden Soundtrack dazu - mit quietschfidelem Vogelgezwitscher und gruslig knarrenden Totenreich-Tönen im Kontrafagott.
 
"Licht und Nacht" heißt das Thema der laufenden Musiktage, seit 2006 unter der künstlerischen Leitung von Florian Prey. Die Sopranistin Melanie Diener, zeitweise amtierende Bayreuth-Elsa vom Dienst, steuerte bereits spätromantischen Liederzauber von Schreker und Schoeck bei. Am 10. Oktober steigt das große Finale - eine Händel-Rarität: das Oratorium "LAllegro, il Penseroso ed il Moderato".






 
 
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